Autor
Dass es sich bei dem Minnesänger Ku̍neg Wenzel von Behein (C, fol. 10v) um König Wenzel II. von Böhmen (1271–1305), den vorletzten und reichspolitisch einflussreichen Herrscher aus dem Geschlecht der Přemysliden, handelt, gilt mittlerweile als Konsens der Forschung (s. Wachinger, Sp. 862f.). Bereits unter seinem Vater Ottokar II. – Gönner u. a. für Reinmar von Zweter, den Tannhäuser und den Meißner – entwickelte sich der Prager Hof zu einem bedeutenden literarischen Zentrum (vgl. Krywalski, S. 74–81); Wenzel II. führte diese kulturellen Aktivitäten fort, wenngleich sich sein Mäzenatentum nicht ähnlich konkret fassen lässt wie dasjenige seines Vaters (Wachinger, Sp. 863f.). Ob er in direktem Kontakt zu Frauenlob stand, wie es die ältere Forschung postuliert hat (Bertau, S. 192–194), ist zwischenzeitlich umstritten (Behr, S. 234–236); festhalten lässt sich diesbezüglich lediglich, dass Frauenlob in einer Sangspruchstrophe die Schwertleite Wenzels II. erwähnt und dass er – so berichtet es zumindest Ottokar von Steiermark in seiner ›Österreichischen Reimchronik‹ – eine Totenklage auf den König verfasst hat (dazu Wachinger, Sp. 864). Als aktiv Literaturschaffender tritt uns Wenzel II. nur über das ihm zugewiesene Liedkorpus in der Manessischen Liederhandschrift entgegen, die zugehörige Miniatur zeigt ihn jedoch auch hier nicht als Dichter, sondern in der »Majestätsformel des frontal thronenden Herrschers« (Walther, S. 8).
Überlieferung
C überliefert (auf fol. 10v) unter Ku̍neg Wenzel von Behein ein Korpus aus elf Strophen; es wurde, gemeinsam mit den Œuvres weiterer fürstlicher Minnesänger aus den östlichen Reichsgebieten (denjenigen Heinrichs von Breslau, Ottos IV. von Brandenburg und Heinrichs III. von Meißen) als Nachtrag von Schreiberhand BS in das Grundstocksegment der Handschrift eingefügt (Henkes-Zin, S. 17, 26, 33; Krywalski; vgl. außerdem den Korpuskommentar zu Heinrich von Meißen). Das erste Lied ist außerdem zweimal – davon einmal um die Schlussstrophe verkürzt – in der Weimarer Liederhandschrift f erhalten; dort steht es anonym im Kontext von Liedern Frauenlobs und Heinrichs von Breslau (vgl. Gottzmann, S. 9f.; Wachinger, Sp. 864).
Inhalt
Die elf Strophen bilden drei formal sehr sorgfältig gebaute Lieder; sie sind dem Konzept der Hohen Minne verpflichtet, reflektieren und problematisieren dieses jedoch auf je verschiedene Weise (dazu Wachinger, v. a. S. 136, 150): C Wenz 1–5 et al. verdichtet die Minneparadoxie im Motiv der keuschen Liebesnacht – Versuche der älteren Forschung, darin eine autobiographische Bezugnahme auf die Kinderehe Wenzels II. zu sehen, sind bereits von von Kraus, S. 631–633, verworfen worden. Hingewiesen wird gerade bezüglich dieses Lieds immer wieder auf stilistische Übereinstimmungen mit der Dichtung Frauenlobs (etwa bei Wachinger, S. 138f.; kritisch Behr, S. 247f.) – ein Befund, den die Überlieferung des Liedes in f (s. o.) bestätigt. C Wenz 6–8 lässt das »minnetheoretische[] Experiment« (Wachinger, S. 817) des ersten Liedes scheitern: Es propagiert den körperlichen Vollzug der Minne als Remedium jeglicher Resignation. C Wenz 9–11 schließlich ist ein Tagelied, das die Figur des Wächters als bestechlich zeigt. Damit ironisiert es eine grundlegende Konstituente der Gattung (dazu v. a. Kühnel).
Stephanie Seidl