Überlieferung: Walthers ›Schachlied‹ ist lediglich in Hs. C überliefert. Ob die Überschrift mit ihrem Hinweis auf C Reinm 35–39 et al. auf Walther selbst zurückgeht, ist umstritten. Fest steht, dass Reinmars Lied nur in Zeilenzahl und Reimschema übereinstimmt, aber eine deutlich abweichende Metrik besitzt. Die beiden Walther-Strophen sind aber auch untereinander metrisch uneinheitlich.
Form:
Str. I: .4*5a 5b / .4*5a .5b // .5c 6c .5d 6d 3d
Str. II: .5a .6b / .4a 7b // .6c .6c 4d .6d 3d
Neunversige Stollenstrophe. Um den Bezug zum Reinmar-Lied herzustellen oder um das Metrum zu vereinheitlichen, wurde immer wieder sehr stark in das Lied eingegriffen (vgl. Birkhan und Wapnewski). Die Frage stellt sich allerdings, ob die Bezeichnung dôn nicht lediglich einen ungefähren metrischen Rahmen fasst (vgl. Schweikle, S. 607).
Inhalt: Parodie/Wechsel- oder Dialoglied
Bei Walthers Schachlied handelt es sich um seine bekannteste und wohl unstrittigste Minnesangparodie. Die Bezüge zu Reinmar sind bereits in der Überschrift hergestellt und lassen sich durch zahlreiche Textbezüge weiter unterfüttern: Dazu gehört die Ablehnung der Bezeichnung der Dame als osterlicher tag (I,4), die als ein ›zu hohes Sprechen‹ interpretiert wird, die Schachmetaphorik (I,9) und der Kussraub (II,4). Das Lied steht im Zentrum aller Betrachtungen zur Reinmar-Walther-Fehde und hat selbst wohl ebenfalls wieder ›Gegengesänge‹ hervorgebracht, wie C Reinm 242–244 et al. oder die ›Einmischung‹ Wolframs in Parz. III,115,5.
In Str. I und II wechseln ein männliches und weibliches Sprecher-Ich, dadurch entsteht aber weder ein echter Dialog noch ein klassischer Wechsel im Sinne der Minneliedgattung, bei dem zwei Liebende über ihre gemeinsame Liebe sprechen. Die Forschung hat im weiblichen Sprecher-Ich der zweiten Strophe meist die Minnedame Reinmars gesehen, die hier ihrem Verehrer und seinem Minnekonzept eine Abfuhr erteilt.
Björn Reich