Überlieferung: Es ist möglich, dass es sich bei den in B und C fast textgleich aufeinander folgend überlieferten Strophen (B Wa 87 88 und C Wa 223 224) um ein zweistrophiges Lied handelt. Jedenfalls stellen viele der modernen Ausgaben (etwa Wa/Bei und Schweikle) die beiden Strophen als Einheit dar. Ob die Strophen wirklich zusammengehören, bleibt indessen Erwägungssache: Dagegen spricht etwa der Wechsel der Initialenfarbe in C, der in der Regel Liedwechsel markiert, aber auch die Abweichungen im metrischen Schema (vgl. den Kommentar zu den Einzelliedern), denn B Wa 87 / C Wa 223 weist einen Vers weniger auf. Es ist zwar möglich, dass dieser Vers in in einer anzunehmenden gemeinsamen Vorstufe (*BC) versehentlich vergessen wurde, aber nicht zwingend: Inhaltlich spricht jedenfalls nichts dafür, da B Wa 87/C Wa 223 offenkundig mit einer (wenn auch schwer zu deutenden) Pointe endet und als abgeschlossen angesehen werden kann.
In f ist B Wa 88/C Wa 224 im Rahmen der erweiterten Fassung von ›Ich wil teylen, ee ich var‹ überliefert (vgl. den Kommentar zu dieser Liedeinheit), auch das bliebe ein (aufgrund des Charakters von f freilich schwaches) Indiz dafür, dass die beiden Strophen nicht zwingend als zusammengehörig aufgefasst wurden. Für eine Zusammensicht beider Strophen spricht daher im Grunde nur die relative Tonähnlichkeit und die Tatsache, dass die beiden Strophen in zwei Handschriften nacheinander tradiert sind. Da Walther indessen mit ›Ich wil teylen, ee ich var‹ ein weiteres tonähnliches Lied verfasst hat, liegt es nahe, die Abgrenzung der beiden Strophen in C ernst zu nehmen.
Inhalt: Abschiedslied.
Die hier gezeigte zweistrophige Liedvariante ergibt ein dunkleres Lied, das in beiden Strophen vom Abschied des Sänger-Ichs (und in Str. II auch von seiner Rückkehr) spricht. Dabei wird höfisches Verhalten proklamiert (selbst der Schmerz der Dame über den Weggang des Sängers soll maßvoll sein; I,2) und in beiden Strophen mit denjenigen am Hofe, die sich nicht entsprechend benehmen, kontrastiert. Der Sinnzusammenhang zwischen beiden Strophen ist allerdings lose, auch inhaltlich spricht damit nichts dagegen, die beiden Strophen als getrennte Lieder anzusehen.
Björn Reich
B Wa 88 = L 61,8Zitieren | |||
Weingartner Liederhandschrift (Stuttgart, LB, HB XIII 1), pag. 163 | |||