Überlieferung: Walthers ›Winterklage‹ ist als zweistrophiges Lied in gleicher Reihung in BC überliefert. Beide Strophen sind in E in umgekehrter Reihenfolge Teil eines fünfstrophigen Liedes.
Form: 4a 4a 4a 4a 4a
Liedstrophe aus fünf monorimen Viertaktern. Die beiden Strophen in BC sind regelmäßig daktylisch lesbar, was auf Tanzbarkeit hindeuten könnte. Im Strophenverband von E ist der daktylische Rhythmus teilweise aufgegeben (etwa in E I,1 oder E I,3), wenn man ihn nicht durch Eingriffe wiederherstellen möchte. Meist wird davon ausgegangen, dass es sich hier um eine später erweiterte Fassung handelt (vgl. Kocher, S. 60-62). Eine Ähnlichkeit besteht außerdem zu der deutschen Schlussstrophe 135a des Codex Buranus; die Strophe weist eine ähnliche (oder dieselbe) Rhythmik, das gleiche Reimschema und eine enge inhaltliche Verbindung auf (vgl. den Kommentar dort).
Inhalt: Winterklage.
Das Lied behandelt die Klage über den Winter und die Sehnsucht nach dem Frühling. Die kunstvolle Form stellt es in die Tradition der mittellateinischen Vagantenlyrik (auch dies passt zu den Liedern des Codex Buranus). In der Eingangsstrophe von BC wird das Ballspiel als erste Frühlingstätigkeit gepriesen, wobei das kunstvolle Enjambement in BC I,4f. den Ballwurf »sinnlich in Erscheinung treten« lässt (Brunner, S. 297). Der Spielort, die strasse (BC I,4), verlegt das Geschehen an den Rand der höfischen Welt. Bei Neidhart wird dieser Gedanke, wie auch die im Blumenpflücken angedeutete Erotik (BC II,5) weiter ausgebaut (z.B. in C Neidh 107).
Die fünfstrophige Fassung in E bietet weitere Variationen der Winterklage. Hier ist eine optimistische Entwicklung erkennbar, ausgehend vom Wunsch, den Winter verschlafen zu können, bis hin zur Gewissheit, dass auch der Winter bald in die sunnen gat (E V,3).
Björn Reich