Überlieferung: Während A unter Leuthold von Seven ein zweistrophiges Lied überliefert, enthält C nur dessen erste Strophe, und zwar unter Dem von Wissenlo. Dass das Leuthold-Korpus von A fast durchweg aus Material besteht, das andere Handschriften anderen Autoren zuweisen, und dass das Wissenlo-Korpus in C ausschließlich aus Tageliedern besteht, spricht für die Wissenlo-Zuschreibung. Nicht zu beantworten ist die Frage, ob auch die zweite, nur unter Leuthold überlieferte Strophe auf von Wissenlo zurückgeht. Wenn man von der Gattung des Tagelieds ausgeht, dürfte allerdings die zweistrophige Fassung gegenüber der einstrophigen Priorität besitzen.
Form: C I (und, für sich genommen, auch A I) ist so zu beschreiben:
.4a .4b 5c / .4a .4b 5c // .4d .4d .4d
A II weicht hiervon etwas ab:
.4a .4b 4c / .4a .4b .4c // .4d .4d .4d
Dass der Abgesang von A II den Reim von A I verwendet, verklammert die beiden Strophen eng. A I,3 und 6 wird man als – absichtlich oder unabsichtlich – überfüllt betrachten und also für den Text insgesamt durchgängig vierhebige Verse annehmen.
Inhalt: Der Schlussvers weist A I bzw. C I als Wächterrede aus. Die Hinweise auf den Tagesanbruch, das Liebesglück der vergangenen Nacht und die Notwendigkeit des Abschieds passen hierzu.
Auch A II könnte dem Wächter gehören oder als Sängerrede verstanden werden. Die Strophe ist im Präteritum gehalten und blickt auf etwas Vergangenes zurück, nämlich die Trennung der Liebenden und die ihn begleitenden Klagen der Frau, die ab V. 5 in direkter Rede wiedergegeben werden. Wie sie sich in zeitlicher Hinsich zu A I verhält, ist mangels genauer Referenzen nicht auszumachen. Dass das Verhältnis der beiden Strophen zueinander in der Schwebe bleibt – für Kraus, S. 645 ein Indiz für den Ausfall einer Strophe –, stimmt zum Befund der metrischen Analyse, die ja Divergenzen im Bau von A I und A II notiert hat.
Manuel Braun