Autor
Der in ABC bewahrte Autorname ›Leuthold von Seven‹ lässt sich mit einer historischen Person verbinden (nach Wiesinger). Für ein Geschlecht, das sich nach dem Steiermärker Fluss Safen benennt – die Zuordnung des Autors zu einem Ministerialengeschlecht aus Säben in Südtirol gilt als widerlegt –, ist nämlich ein zeitlich (gerade noch) passender Leuthold belegt. Die Urkunde, die den Namen dominus Levtoldus de Sauen anführt, ist 1218 in Damiette ausgestellt worden. Wenn man davon ausgeht, dass der hier unterzeichnende Leuthold den Kreuzzug Leopolds VI. nach Ägypten als junger Mann mitgemacht und dann noch zwei oder drei Jahrzehnte gelebt bzw. gedichtet hat, stimmt dies zeitlich zu den intertextuellen Verweisen in den Werken des namensgleichen Autors, die sicher zu Walther von der Vogelweide, möglicherweise aber auch zu Gottfried von Neifen laufen. Das Werk Leutholds gehört damit in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Die BC-Sammlung weist Leuthold von Seven als einen Herren aus – auch die Miniatur zeigt den Autor als Jäger und damit als Adeligen –, wozu die drei überlieferten Minnelieder passen. Dagegen mag das größere A-Korpus mit den zahlreichen unter anderen Autoren überlieferten Texten die Vorstellung eines »fahrenden Spielmann[s]« (Blank, S. 129) oder eines »Spielmann[s] ritterlichen Standes« (Burdach, S. 373) nahelegen. Allerdings setzen solche literatursoziologisch ohnehin eher fragwürdigen Annahmen voraus, dass die A-Sammlung auf Leuthold selbst und seine Vorträge zurückgeht.
Überlieferung
A auf der einen und BC auf der anderen Seite überliefern sehr unterschiedliche Korpora. B (S. 129f.) und C (fol. 165r) bringen unter Leuthold von Seven lediglich zehn bzw. elf Strophen, die zu drei Liedern zusammentreten. Zumindest das erste (B Leuth 1–3 = C Leuth 1–3) und das dritte (B Leuth 8–10 = C Leuth 9–11) gehen auf eine gemeinsame Quelle *BC zurück. Nur das dritte spricht die Überlieferung allein Leuthold zu, für das erste und zweite (B Leuth 4–7 = C Leuth 4–8) finden sich zwar Alternativzuschreibungen, doch sind diese (Der Jüngere Spervogel, Niune) eher zweifelhaft, sodass sich in BC der Kern eines Korpus abzeichnet, das sich einem Leuthold von Seven zuweisen lässt.
Anders verhält sich das mit der sehr viel umfangreicheren A-Überlieferung (fol. 36v–39r). Hier umfasst das Korpus 47 Strophen respektive 18 Texte. Dazu kommt evtl. noch die formgleiche anonyme Strophe in D. Nur vier der A-Texte führt die Überlieferung ausschließlich unter Leuthold von Seven, die restlichen 14 weisen andere Zeugen anderen Autoren zu: dem Burggrafen von Regensburg, Dietmar von Aist, Heinrich von Rugge/Reinmar, Walther von der Vogelweide sowie Dem von Wissenlo. Außerdem enthält das A-Korpus die gesamte Friedrich-der-Knecht Sammlung aus C, die es offenbar einer gemeinsamen Quelle *AC entnimmt. Demgegenüber weist die A-Sammlung kaum Überschneidungen mit jenen alemannischen Überlieferungstraditionen auf, die in B münden, was ihre Entstehung in Bayern oder Österreich wahrscheinlich macht. Dass ein Autor gleichermaßen Lieder im Stil des frühen Minnesangs wie in dem des 13. Jahrhunderts verfasst hat, schien der älteren Forschung unwahrscheinlich. Man hat sich daher vorgestellt, dass Leuthold von Seven selbst Texte anderer Autoren vorgetragen hätte – Burdach, S. 373, spricht denn auch von einem »Spielmannsliederbuch« –, oder die Redaktoren von A (oder einer Vorstufe von A) eine heterogene Sammlung auf seinen Namen getauft hätten. Denkbar wäre aber auch, dass Leuthold keinen Autor, sondern einen Sammler oder den Besitzer eines Liederbuchs benennt. In jedem Fall verweist die A-Sammlung auf ein vormodernes Konzept von Autorschaft, das sich Kriterien wie Historizität und Originalität entzieht.
Dass BC den Autor, allerdings mit anderen Texten, ebenfalls kennen, spricht freilich eher für die Existenz eines tatsächlichen Autors Leuthold von Seven. Nicht ganz einfach ist es, das Sängerlob Reinmars des Fiedlers auf Leuthold von Seven (A Fiedler 11) mit dem Überlieferten zusammenzubringen, nennt dieses doch Gattungen wie das Kreuzlied und den Leich, die sich in den Leuthold-Sammlungen nicht belegen lassen. Entweder ist Leuthold nur selektiv überliefert oder Reinmars Lobstrophe zielt nicht darauf, dessen Werk zu kennzeichnen, sondern die damalige Gattungsterminologie möglichst vollständig wiederzugeben. Nochmals einen anderen Akzent enthält die Strophe, wenn man sie mit der Forschung als ironisch auffasst, denn dann erscheint sie wahlweise als Kritik an der Alleskönnerschaft und Profillosigkeit Leutholds oder aber – auch das wäre denkbar – an dessen Einseitigkeit. Für einen Erweis der Autorschaft Leutholds am ›Sondergut‹ von A taugt die Strophe jedenfalls nicht (anders Blank, S. 128f., und Kraus, S. 293f.), zumal dieses mit dem Sangspruch und dem Tagelied Gattungen einschlösse, die im BC-Korpus nicht vertreten sind.
Werk
In BC erscheint Leuthold von Seven als Verfasser von Minneliedern, für die etwa Walther von der Vogelweide als Vorbild infrage käme. Auch Nachwirkungen Gottfrieds von Neifen hat man in ihnen ausmachen wollen (Mertens, S. 736; Knapp, S. 495). Sehr viel weiter ist das Spektrum der Gattungen in A, wo Leuthold auch Tagelieder und Sangspruchstrophen zugeschrieben werden. Für die Lieder A 22–25, 26f., 28–33 und 34f., sowie 41f. und 43–46, beobachtet Touber, S. 192, jeweils Ähnlichkeiten im Formbau.
Manuel Braun