Autor
Neben einem Kleinstkorpus, das einem ›Burggrafen von Regensburg‹ zugeordnet ist, überliefern die Liederhandschriften ein größeres, weitgehend identisches Textkorpus mal unter dem Namen ›Burggraf von Regensburg‹, mal unter ›Burggraf von Riedenburg‹ (siehe unten zur Überlieferung). Mit der Entdeckung des Budapester Fragments B₂ in den 80er Jahren hat sich verstärkt die Ansicht durchgesetzt, dass beide Bezeichnungen wohl Namensvarianten eines einzigen Dichters sind (vgl. Worstbrock, S. 116–131; siehe unten zum Werk). Vermutlich ist er der Familie von Steffling und Riedenburg zuzurechnen, deren Mitglieder sowohl Grafenrechte im westlichen Dongau vertraten als auch bis um 1185 das königliche Burggrafenamt der Reichsstadt Regensburg ausübten (Meves, S. 183f.). Konkret wird als Dichter eher nicht mehr Heinrich III. vermutet, der zwischen 1143 und 1175 urkundet, sondern einer seiner drei Söhne: Heinrichs ältester Sohn Friedrich (belegt zwischen 1155 und 1181/82), Heinrich IV. (belegt zwischen 1171 und 1185) oder Otto III. (belegt zwischen 1157 und ca. 1185; vgl. Meves, S. 185f.).
Die Dichterminiaturen bestärken die Annahme von ›Regensburg‹ und ›Riedenburg‹ als Namensvarianten. Wappen und Helmzier in der Manessischen Liederhandschrift zeigen unter dem Burggrafen von Regensburg mit zwei gekreuzten Schlüsseln das Wappen der Stadt Regensburg (Walther, S. 220). Das nur angedeutete Wappen zum Burggrafen von Regensburg im Budapester Fragment scheint dagegen mit einem diagonalen Balken das historische Riedenburger Wappen abzubilden, wie es die Manessische Liederhandschrift beim Burggrafen von Riedenburg ausführt: goldener Untergrund mit rotem Querbalken, auf dem drei silberne Rosen sitzen.
In der Manessischen Liederhandschrift (C) wird zudem sowohl beim Burggrafen von Regensburg als auch beim Burggrafen von Riedenburg die Richterfunktion betont: Der Burggraf von Regensburg trägt kostbare Kleidung (roter Mantel und Pelzkappe) und sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen; hinter ihm stehen offenbar zwei Gerichtsknechte, vor ihm wohl der Rechtsuchende – ein älterer, auf einen Stock gestützter Mann – und drei eventuell bürgerliche Männer, womöglich Zeugen (Walther, S. 220, und Schweikle, Sp. 1087). Auch der Burggraf von Riedenburg ist in C sitzend abgebildet, auch er trägt einen roten Mantel. In seiner linken Hand hält er als Zeichen der Gerichtsgewalt seines Burggrafenamtes ein Schwert; aus seiner rechten Hand öffnet sich eine Schriftrolle, die von einer kleinen Botengestalt am rechten Bildrand ergriffen wird (vgl. Walther, S. 85). Ganz andere Wege geht dagegen das Budapester Fragment: Es präsentiert zum Burggrafen von Regensburg ein Reiterbild. Der reitende Dichter trägt keine Kopfbedeckung; er wird von zwei Hündchen begleitet, auf seiner rechten Hand sitzt ein Falke, ein Baum steht am rechten Bildrand.
Überlieferung
AC-Korpus (nur unter ›Burggraf von Regensburg‹): In der Kleinen Heidelberger Liederhandschrift (A) beschränkt sich das Korpus des Burggrafen von Regensburg (fol. 39r) auf einen zweistrophigen Wechsel (A Regensb 3f.); es folgt direkt auf das ebenfalls zweistrophige Kleinkorpus Hugos von Mühldorf. Die Manessische Liederhandschrift (C) tradiert den Burggrafen von Regensburg als Teil der Lage XXIX, die sich durch »besondere Überlieferungsnähe zur Kleinen Heidelberger Liederhandschrift« (Henkes-Zin, S. 168) auszeichnet und für die eine gemeinsame Quelle beider Handschriften »mehr als wahrscheinlich« ist (ebd.). Der Wechsel aus A ist hier das zweite von insgesamt zwei Liedern des Burggrafen von Regensburg; das erste ist ein zweistrophiges Frauenlied, das A unter Leuthold von Seven führt (C Regensb 1f. et al.).
B₂BC-Korpus (in B₂ unter ›Burggraf von Regensburg‹, in BC unter ›Burggraf von Riedenburg‹): Zwischen dem B₂BC-Korpus und dem AC-Korpus gibt es keine Schnittmenge. Das Budapester Minnesangfragment B₂ präsentiert zwar ebenfalls Lieder unter dem Namen ›Burggraf von Regensburg‹, doch werden diese sowohl in C als auch in der Weingartner Liederhandschrift B unter dem ›Burggrafen von Riedenburg‹ geführt (C Riedenb ist Teil eines Untersegments der Handschrift, dessen auf blindlinierten Blättern überlieferte Korpora eine große Nähe zur Weingartner Liederhandschrift auszeichnet; Henkes-Zin, S. 124). Die Korpora B₂ Regensb und C Riedenb tradieren sieben Strophen in gleicher Reihenfolge, davon überliefert B Riedenb nur fünf – ausgelassen sind in B die nach B₂C zweite und siebte Strophe.
Während die Lieder in B₂ und B einstrophig sind (in B₂ sieben, in B fünf), führt C, der generellen Tendenz der Handschrift entsprechend, mehrstrophige Lieder vor Augen: Die Initialenfarbe markiert in C drei strophenübergreifende Tonzusammenhänge. Auch formal sind die Strophen, verglichen mit B₂B, aneinander angenähert: Die ersten beiden Strophen in C Riedenb sind, anders als in der Parallelüberlieferung, formgleich und können inhaltlich als Wechsel aufgefasst werden (C Riedenb 1f.); bei C Riedenb 3 und C Riedenb 4 stimmt, anders als in B₂B, immerhin die Versanzahl überein, wenn auch nicht das Reimschema; und auch C Riedenb 5, C Riedenb 6 und C Riedenb 7 sind nahezu formgleich, während ihre Parallelüberlieferungen in B₂B größere Formunterschiede aufweisen.
Werk
Ein Teil der Strophen weist Merkmale des sogenannten Donauländischen Minnesangs auf: Formal fallen Langverse und Assonanzen auf, inhaltlich Frauenstrophen (die sich mit Mannesstrophen zu Wechseln verbinden?) und Elemente wie das Aufbegehren gegen die Gesellschaft. Dies betrifft das AC-Korpus, also C Regensb 1f. et al. und C Regensb 3f. et al., sowie aus dem B₂BC-Korpus die beiden Strophen B₂ Regensb 1 und B₂ Regensb 2. Der Versbau der Langverse ist dabei von Freiheiten geprägt, oft sind die Hebungszahl oder die Stelle der Zäsur unsicher (vgl. die Liedkommentare). Ein anderer Teil der Strophen ist dem romanisch geprägten Minnesang zuzurechnen, formal mit Kanzonenform, inhaltlich mit mänlicher Ich-Rede und Merkmalen der Dienstminne. Dies betrifft die übrigen Strophen des B₂BC-Korpus, nämlich B₂ Regensb 3 et al., B₂ Regensb 4 et al. und B₂ Regensb 5–7 et al. Auffällig sind hier als Motive z. B. der stete[] dienst (B₂ Regensb 3, V. 7) des Ichs, der Gedanke, dass ihm der Tod senfter (B₂ Regensb 7, V. 8) wäre als die Abweisung durch die Geliebte, zudem die Thematisierung des Gesangs: der hohe[] sanch (B₂ Regensb 3, V. 2) der Nachtigall, der Gesang des Ichs, den es mit dem Jahreszeitenwechsel niͮwe[t] (B₂ Regensb 5, V. 7), oder dass es und sein Gesang durch die Geliebte gebessert und golde gelich werden (B₂ Regensb 6, hier V. 3).
Die B₂BC-Überlieferung bestärkt dabei, dass die »Grenzlinie zwischen den Langversstrophen und den neuen Kanzonenstrophen romanischen Gepräges« (Worstbrock, S. 124) gerade nicht zwei Dichter (Burggraf von Regensburg / Burggraf von Riedenburg) voneinander trennt – diese ältere Ansicht repräsentiert beispielsweise Scherer, S. 27–37 und 76–78 –, sondern dass sie »durch das Œuvre des Rietenburgers selbst [verläuft]« (ebd.). Statt einer klaren ›Grenzlinie‹ steht mit der B₂BC-Überlieferung insofern vielmehr die Heterogenität eines Autorkorpus im Spannungsfeld unterschiedlicher Dichtweisen vor Augen: Es zeigt sich schon auf Ebene der B₂B-Überlieferung das »schrittweise Herantasten von der Tradition der Langvers- zur Kanzonenstrophe und die damit verbundene Hinwendung zu einem neuen Rollenkonzept« (Janota, S. 139). Diese Wende kann unterschieden werden von bloß formalen Regulierungen, wie sie sich häufiger in C zeigen, hier an der Überlieferung der beiden ersten Strophen des B₂BC-Korpus in C unter dem Burggrafen von Riedenburg (C Riedenb 1f.): Sind diese Strophen in B₂ (Burggraf von Regensburg) und B (Burggraf von Riedenburg) sechszeilige Reimpaarstrophen mit zwei Langversen, haben sie in C (Burggraf von Riedenburg) eine Kanzonenform.
Simone Leidinger