Autor
Träger des Namens, der in Hs. A als Albreht von Iohannesdorf (fol. 36r) und in Hs. B als Her Albreht von Ionsdorf (pag. 48), in C dagegen verkürzt als Der von Johansdorf (fol. 179v) erscheint, sind über mindestens drei Generationen hinweg von 1138/47 bis 1255 urkundlich bezeugt (vgl. Meves, S. 109–124). Es handelt sich dabei um Angehörige eines mit den Bistümern Bamberg und Passau verbundenen Ministerialengeschlechts, als dessen Stammsitz man zumeist den niederbayerischen Weiler Jahrstorf an der Vils (Gemeinde Eichendorf) vermutet. Der Sänger wird allgemein mit dem mittleren, von ca. 1180/85 bis 1206 bezeugten Namensträger identifiziert, der u. a. als Ministeriale in Urkunden des Bischofs Wolfger von Passau begegnet. Unnötig kompliziert erscheint dagegen die Annahme, auch Lieder der älteren und sogar der jüngsten Generation könnten in das Korpus gelangt sein (so Ranawake, S. 250). Eine Kreuzzugsteilnahme des Sängers ist nicht nachweisbar, wird aber durch die intensive Behandlung des Themas in den fünf Minnekreuzliedern nahegelegt. Als wahrscheinlich gilt eine Teilnahme am Barbarossa-Kreuzzug 1189/90, doch käme auch eine (zusätzliche?) Teilnahme am Kreuzzug Heinrichs VI. im Jahr 1197 in Frage.
Überlieferung
Lediglich eines der Lieder Albrechts von Johannsdorf ist in sämtlichen der drei großen Liederhandschriften A, B und C überliefert, und zwar an jeweils erster Stelle des betreffenden Korpus. A überliefert ein weiteres Lied unikal. Sieben weitere Lieder sind in identischer Reihenfolge und in nahezu identischer Gestalt in B und C überliefert, sechs weitere unikal in C. Von diesen unikal in C überlieferten Liedern sind die ersten drei aus mehr oder weniger plausiblen Gründen anderen Liedern desselben Sängers zugeschlagen worden:
1. Das einstrophige Lied C Johd 20 ist bereits in der mittelalterlichen Überlieferung, nämlich in Hs. A, mit zwei Strophen des formgleichen Lieds B Johd 4-6 et al. zusammengestellt worden, und zwar unter dem Namen Niune.
2. C Johd 21-22 wird in der Forschung häufig dem formgleichen Lied B Johd 16-17 et al. zugeschlagen, obwohl es dafür – anders als im ersten Fall – keinen Anhaltspunkt in der Überlieferung gibt.
3. Das einstrophige Lied C Johd 23 schließlich ist von der älteren Forschung mitunter dem ähnlich gebauten Lied B Johd 14-15 et al. zugeschlagen worden, wofür allerdings erhebliche Texteingriffe nötig sind.
Die Anzahl der unter dem Namen Albrechts von Johannsdorf überlieferten Lieder beläuft sich damit auf zwölf bis fünfzehn – oder sogar sechzehn, wenn man A Johd 4-6 aus formalen Gründen in zwei Lieder zerlegen will (so Schweikle, S. 563f.). Als obsolet dürfen dagegen die Versuche der älteren Forschung gelten, diverse Lieder Johannsdorfs aufgrund rein inhaltlicher Kriterien (angebliche oder tatsächliche Heterogenität der Strophen) in mehrere Lieder aufzuspalten.
Mehrfachzuschreibung begegnet außer in dem oben unter (1) erwähnten Fall noch einmal bei C Johd 36-39 et al., das in A unter dem Namen Gedrut überliefert ist und dessen letzte Strophe in C ein weiteres Mal als Einzelstrophe unter den Namen Rubin und (?) Rüedeger erscheint.
Werk
Insgesamt ist bei Albrecht die Tendenz zu beobachten, das Konzept der Hohen Minne auf das Konzept einer auf Gegenseitigkeit beruhenden herzeliebe (vgl. bes. C Johd 21-22 u. C Johd 36-39 et al.) hin zu öffnen. Hierzu passen die Miniaturen der Handschriften B und C, die den Sänger und seine Dame im symmetrischen Dialog bzw. in zärtlicher Umarmung (vgl. dazu auch Walther, S. 115) zeigen.
Auffällig sind insbesondere die fünf Minnekreuzlieder (A Johd 1-3 et al., A Johd 4-6, B Johd 4-6 et al., B Johd 9-11 et al., C Johd 36-39 et al.), die auf die prinzipielle Vereinbarkeit von Frauendienst und Gottesdienst abzielen. Durch die Kommunikationssituation besonders hervorgehoben sind das Dialoglied C Johd 29-35 und die beiden formal wie inhaltlich eng zusammenhängenden Wechsel B Johd 16-17 et al. und C Johd 21-22. Als erweiterter Wechsel ist außerdem das Minnekreuzlied C Johd 36-39 et al. gestaltet. Aber auch dem monologisch angelegten Lied der Hohen Minne weiß Albrecht immer wieder neue Facetten abzugewinnen, sei es durch das Kokettieren mit männlicher Promiskuität (B Johd 7-8 et al.), die Andeutung einer bereits erfolgten Liebesvereinigung (B Johd 14-15 et al.), die Fokussierung auf die Figur des Dritten (B Johd 18 et al.) oder die pointierte Engführung von erotischem und religiösem Diskurs (C Johd 24-28).
Abgesehen von der Periodenstrophe C Johd 23 sind sämtliche Lieder Johannsdorfs in Kanzonenstrophen gehalten (im Fall von B Johd 12-13 et al. mit Refrain). Direkte romanische Vorbilder sind für das daktylische Lied A Johd 4-6 sowie für das Dialoglied C Johd 29-35 nachgewiesen worden.
Justin Vollmann