Der Dichter Bligger von Steinach gehört einem Adelsgeschlecht an, das um 1100 die Hinterburg in Neckarsteinach errichtet. Der Sohn ihres Erbauers ist der erste von knapp zwei Dutzend Vertretern des Geschlechts, die den seltenen Namen Bligger tragen. Da auch seine unmittelbaren Nachfahren – Sohn, Enkel, Urenkel – Bligger heißen, fällt sowohl die Abgrenzung der Generationen in der urkundlichen Überlieferung als auch die Zuordnung des Dichters schwer; es überwiegt die Ansicht, beim Dichter handle es sich um Bligger II., dessen Schaffenszeit man sich vermutlich im späteren und spätesten 12. Jahrhundert vorzustellen hätte. Die Urkunden des 12. und frühen 13. Jahrhunderts bezeugen den Kontakt der Namensträger zu Friedrich I., Heinrich VI. und Otto IV., darüber hinaus zu Walther von Hausen, dem Vater Friedrichs von Hausen. Der Dichter Bligger hat außerdem Spuren hinterlassen in drei Dichterkatalogen des 13. Jahrhunderts (siehe unter Werk).
B führt auf pag. 27 unter Bligger fünf Strophen (zwei Lieder); die zugehörige Miniatur (pag. 26) ist überschrieben mit H. BLIGER V̄ SAINACH (rot). Das Bild zeigt im unteren, größeren Segment einen sitzenden Mann mit leerer Pergamentrolle in der Rechten, aufgestütztem Schwert zwischen den Knien in der Linken; abgesehen von der Waffe ist er unbewehrt, auf dem Kopf trägt er einen roten Kranz. Im oberen Bildsegment befinden sich links das Wappen mit silbern-weißer Harfe auf rotem Grund, rechts ein goldener Helm mit zwei nach oben abstehenden, einander abgewandten grünen Pfauenköpfen. Das Harfenwappen stärkt die eingangs beschriebene genealogische Verortung des Dichters im Geschlecht der Steinacher, die es allerdings wohl erst nach Bliggers Zeiten verwenden, bzw. es indiziert, dass schon die Redaktoren von B (und C) diese Verbindung herstellen wollten.
C überliefert im Grundstock-Untersegment B1 (dort auch Hartmann von Aue, Hartwig von Raute und der von Munegiur) auf fol. 183r sechs Strophen; die ersten fünf entsprechen der B-Überlieferung, die sechste Strophe ist ein Sangspruch. Die Texte sind überschrieben mit von Steinach (schwarz; teilweise in der Falz), die vorstehende Miniatur (fol. 182v) mit her Blîgge vō Steinach (rot). Die Anlage ähnelt der Miniatur in B: Im unteren Bildsegment gibt ein größerer Mann rechts einem kleineren Schreiber (mit Feder und Rolle) links ein Diktat, was durch die Handhaltung der rechten und der Schreibhaltung der linken Figur zweifelsfrei zu erkennen ist. Im Schoß der größeren Figur lehnt ein Schwert, die Figur ist bekränzt. Im oberen Segment sind wieder Wappen und Helmzier zu sehen wie in B, doch in anderen Farben: goldene Harfe auf blauem Grund links, goldener Helm mit zwei blauen Pfauenköpfen rechts.
Die fünf in BC parallel überlieferten Strophen weisen nur geringe Varianz auf, eine gemeinsame Vorstufe ist dringend wahrscheinlich. Auch ein gemeinsamer Fehler (größerer Textverlust von knapp anderthalb Versen in der jeweils fünften Korpusstrophe) verbindet die Überlieferungen. Kleinere Abweichungen sind, wenn überhaupt, dann meist nur formal relevant, wobei sich die B-Überlieferung in Metrik und Reimgestaltung sorgloser präsentiert als jene in C.
Das schmale lyrische Werk besteht, wie angezeigt, aus zwei Liedern zu zwei bzw. drei Strophen sowie einer einzelnen Spruchstrophe. Beide Lieder gehören in den thematischen Bezirk der Hohen Minne und sind, aus mittelweiter Ferne betrachtet, konventionell zu nennen. Bei näherem Zusehen erweisen sie sich als originelle Entwürfe, die darüber hinaus vielfach gegenläufig konzipiert sind. Das erste Lied erscheint als formales Experiment (eigensinnige Periodenstrophe), ist metrisch entweder kühn (daktylisch?) oder unsortiert, operiert mit Reimspielen und ist inhaltlich charakterisiert durch einen flirrenden Wechsel der Gedanken und Argumente. Das zweite Lied – möglicherweise eine Kontrafaktur nach französischem Vorbild – setzt dagegen regelmäßige Alternation in fünfhebigen Versen, ökonomische Reimgestaltung (nur zwei Reimklänge pro Strophe) und einen strengen, stringenten argumentativen Aufbau. Beide Lieder, so verschieden sie sind, weisen literarhistorisch in den Bereich der so genannten ›rheinischen Hausenschule‹ (Hohe Minne, Periodenstrophe, französischer Einfluss, formale Ähnlichkeit von Lied II zu Liedern anderer Vertreter der ›Schule‹ etc.). Die Spruchstrophe in der Alment wirkt im Vergleich zu den Liedern auffällig banal, auch formal uninspiriert, die Zuschreibung ist strittig.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist Bligger auch als Epiker hervorgetreten. Gottfried von Straßburg (›Tristan‹ 4689–4720) und Rudolf von Ems (zweimal: ›Wilhelm von Orlens‹ 12192–12197 sowie ›Alexander‹ 2205–2218) rühmen ihn in großen Worten als Verfasser eines wohl epischen Gedichts namens Umbehanc, über dessen Natur (Roman? kleinepische Sammlung?) und Inhalt allerdings nichts bekannt ist. Verschiedentlich von der Forschung entwickelte Hypothesen zur Identifizierung dieses Gedichts mit einem erhaltenen (darunter: ›Moriz von Craûn‹, ›Nibelungenlied‹) fanden wenig Widerhall und gelten als spekulativ.
Florian Kragl
Verbreitung und Bezeichnung: Bei der sog. Alment handelt es sich um das »erfolgreichste Strophenmuster im Bereich des Spruchsangs der ersten Hälfte des 13. Jh.s« (Brunner, S. 37). Dies erklärt sich aus dem (für das Hochmittelalter ungewöhnlichen) Befund, dass der Ton schon früh von vielen verschiedenen Autoren benutzt wurde: Als Tonerfinder gilt Meyster stolle – ihm schreibt (auf fol. 2r) die Jenaer Liederhandschrift, die nach dem Tonautorenprinzip organisiert ist, ihr Alment-Korpus zu (dazu ausführlich Kornrumpf/Wachinger, S. 359–376). Eingesetzt wird der Ton aber auch schon von Bligger von Steinach, Hardegger, Marner, von Wengen, dem Tugendhaften Schreiber und Boppe (vgl. Brunner, S. 37). Die Tonbezeichnung, die die Kolmarer Liederhandschrift überliefert, rekurriert auf ein ›gemeinschaftliches Grundeigentum‹ bzw. auf das ›Recht der gemeinschaftlichen Nutzung‹ (MWB I, Sp. 161f.) und »indiziert also schon die häufige Entlehnung des Tones« (Zapf, S. 29f., dazu auch Kornrumpf/Wachinger, S. 381–383). Rege Verwendung findet die Alment dann auch im Meistersang und noch in nachreformatorischer Zeit – damit ist sie »neben dem Frau-Ehren-Ton Reinmars von Zweter der älteste kontinuierlich bis ins 17. Jh. gebrauchte Spruchton« (Kornrumpf, Sp. 356). Eng angelehnt an die Tonstruktur der Alment sind die Töne Bruder Wernhers, der als wichtigster Repräsentant der sog. Almentgruppe gilt (Brunner, S. 308).
Form: Kanzonenstrophe, die formal besonders durch den Wechsel von kurzen Zeilen, langen Zeilen und Langzeilen auffällt (Frühform, Schema nach Brunner, S. 37; Zapf, S. 32, spaltet die Langzeile auf und kommt dadurch zu einer Strophe mit 15 Versen):
.7a .7a .4b .5-c / .7d .7d .4b .5-c // .4e .5-f .4e .7-f .7g .4x 5g.
Melodie: Die älteste, in J erhaltene Melodie vom Typ der Rundkanzone hat folgende Struktur (nach Brunner, S. 37f., ausführlicher Brunner, S. 256–258; Melodie ediert in Brunner, S. 387–392):
α+β. α+γ. β1 δ. / α+β. α+γ. β1 δ. // ε β2. ε δ1. δ2. ζ/δ.
Stephanie Seidl
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C | 6 | MF 119,13; RSM ¹Blig/1/1 |