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Reinmar, ›Was ich nu nu̍wer mere sage‹
C Reinm 56
I (work in progress)C Reinm 56 = MF 165,10
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 100vb
C Reinm 57
II (work in progress)C Reinm 57 = MF 165,19
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 101ra
C Reinm 58
III (work in progress)C Reinm 58 = MF 165,28
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 101ra
C Reinm 59
IV (work in progress)C Reinm 59 = MF 165,37
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 101ra
C Reinm 60
V (work in progress)C Reinm 60 = MF 163,5
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 101ra
C Reinm 61
VI (work in progress)C Reinm 61 = MF 162,34
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 101ra

Kommentar

Überlieferung: Die insgesamt elf Strophen lassen sich in zwei Gruppen aufteilen, die über C Reinm 60 61 / E Reinm 117 118 miteinander verbunden sind:

[1] C Reinm 60 61 sind die letzten beiden Strophen eines im Reinmar-Korpus in C überlieferten sechs­stro­phigen Tonzusammenhangs, dessen erste vier Strophen (C Reinm 56–59) ebenfalls in ABE unter Reinmar stehen. Zu jener Strophengruppe s. Liedkommentar.

[2] Die Strophen E Reinm 117 118 wiederum sind Teil eines im Reinmar-Korpus in E überlieferten sechs­stro­phigen Verbundes (E Reinm 114–119), dessen andere Strophen Parallelüberlieferungen im Reinmar-Korpus in AC haben sowie in der ursprünglich namenlosen Reinmar-Sammlung in B (s. Korpuskommentar). Eine Strophe findet sich ferner als anonyme Einzelstrophe in I sowie I1.

Darüber hinaus sind jene Strophen in E (E Reinm 114–119) durch die variierenden Initialengrößen sowie die Nennung des Dichternamens vor E Reim 114 mit E Reinm 120–122 zusammengefasst (siehe sekundäre Liedeinheit).

Die Reihenfolge der Strophen variiert im Handschriftenvergleich. Mit Blick auf die zweite Gruppe des Überlieferungsverbundes lassen sich mit Hausmann zwei Strophenpaare identifizieren: Neben dem Strophenpaar C Reinm 60 61 / E Reinm 117 118, das die beiden Gruppen des Überlieferungsverbundes zusammenführt, hebt Hausmann die beiden Strophen C Reinm 47 48 et al. als »stabilstes Element« (S. 120) hervor: In ABCE folgt die zweite Strophe dieses Paares auf die erste; in E eröffnet das Strophenpaar das Lied, in BC steht es am Ende, in A eröffnet die erste Strophe das Lied, die zweite beschließt es, dazwischen ist A Reinm 20 eingefügt.

Strophenzusammengehörigkeit und Reihenfolge wurden in den bisherigen Editionen unterschiedlich gesetzt (eine Übersicht geben MF/MT im Apparat). Rupp sieht in den vier Handschriften ABCE sechs verschiedene Fassungen überliefert: »eine in A mit 3 Strophen, eine in b mit 3 Strophen, in C eine mit 4, eine mit 2 [C Reinm 60 61] und eine mit 6 Strophen, eine in E mit 6 Strophen. [..] Es ist wie bei einem Baukasten: jedes Baukastenelement ist eine geschlossene Einheit für sich [...]. Gedankliche Brücken zwischen einzelnen Elementen, hier den Strophen, sind immer herzustellen« (S. 92). Hübner, S. 151–160, leitet aus den unterschiedlichen Strophenzustammenstellungen und Textvarianten verschiedene Sprecherrollen ab, vermutet in B ein Frauenlied, in C einen Wechsel.

Zum möglichen altfranzösischen Einfluss vgl. Schultz. Frank, S. 120–125, sieht eine Verbindung zu Bien cuidai toute ma vie des Gace Brulé (vgl. dazu auch Zotz, S. 145f.).

Form: .4a .5b / .4a .5b // 7c .7c .4d .4x .5d

Es liegen neunversige Stollen­stro­phen vor; die Auftakte können entfallen. Bereits Schweikle, S. 345f., hebt die Schwankungen in der Strophenfüllung hervor: Die Vierheber (V. 1, 3, 7, 8) sind relativ einheitlich; bei den anderen Versen variieren die Hebungszahlen bei alternierender Lesung teilweise um bis zu drei Hebungen, so zeigt sich etwa der letzte Vers in B II et al. vierhebig, in B III et al., in C V und VI et al. fünfhebig, in BC I, C II et al. sechshebig. Besonders markant sind die Differenzen innerhalb des Aufgesanges: Der zweite Vers scheint eher fünfhebig angelegt zu sein (mit Ausnahme von B II et al. – die Ausgaben tilgen hier i. d. R. die ersten beiden Wörter des Verses und stellen so Fünfhebigkeit her), der vierte dagegen eher sechshebig (mit Ausnahme von E). Auffällig in diesem Zusammenhang ist zudem, dass der zweite und vierte Vers von C Reinm 60 61 eher eine fünfhebige Lesart nahelegen, obwohl die anderen Strophen jener Toneinheit in C (C Reinm 56–59) eher sechshebig zu lesen sind. Gleichzeitig zeigt sich, dass C Reinm 60 61 formal eher C Reinm 45–48 nahe stehen als C Reinm 56–59 (s. auch Formanalyse von Gruppe 1).

Abweichende Versfüllungen im Überlieferungsvergleich zeigen sich darüber hinaus besonders in E. So tendieren die ersten beiden Langverse des Abgesangs hier stärker auseinander: In E I sind sowohl V. 5 als auch 6 unterfüllt; in E IIIf. sind die sechsten Verse überfüllt, in E Vf. sind V. 5 unterfüllt, V. 6 dagegen überfüllt. Diese Beobachtungen zeigen, dass insbesondere E stärkere Schwankungen in der Versfüllung zulässt, wodurch auch die Zusammenstellung mit E Reinm 120– 122 zu erklären sein könnte. Würde man den achten Waisenvers in E Reinm 114–119 nicht absetzen, würden sich zwar immer noch die Hebungszahlen erheblich unterscheiden, doch hätten alle neun in E zusammengefassten Strophen das gleiche Reimschema (mit Ausnahme eines Kadenz­wechsels im c-Reim).

Inhalt: Minneklage.
(Die Strophenzählung folgt E.)

Die erste Strophe hat gnomischen Charakter: In der Rolle eines Ratgebers unterweist der Sprecher sein Publikum, die eigene Frau weder auf die Probe zu stellen noch sie zu beschuldigen – einerseits, weil man sich doch sowieso nicht von ihr trennen möchte, andererseits, weil sie keine Schuld trägt. Die Welt von Lügenhaftigkeit befreien zu wollen, ist ein aussichtslosen Unterfangen; doch man soll selbst nicht an übler Nachrede partizipieren und nicht nach dem fragen, was man nicht hören möchte. Steht hinter jenem letzten Rat die Annahme, dass der Fragende sowieso keine ehrliche Antwort erhalten würde, oder ändert sich hier das Verhältnis von Sprechen und Wahrheit und die Verse sind ein »Plädoyer für eine Welt der Vorstellung, des idealen Scheins, welche der unvollkommenen Wirklichkeit vorgezogen wird« (Kasten, S. 838)?

Andere sagen, dass die Beständigkeit die Herrin aller Tugenden sei (in Verbindung mit der in E vorausgehenden Strophe lässt sich fragen, ob der Spercher dieser Aussage zustimmt oder ob sie Beispiel für jenes falsche Gerede sein soll). Sie (die Dame oder die Beständigkeit – und wenn die Beständigkeit: die eigene oder die der Dame?) hat dem Sprecher in seiner Jugend geschadet, sodass er sie nun nicht mehr loben will. Statt die Frauen zu preisen, beklagt er ihre Vorliebe für tobende Männer (vgl. Str. II).

Er beteuert seine Aufrichtigkeit der Einen gegenüber, die ihm doch nur Leid zufügt (vgl. Str. III).

Die vierte Strophe hat wieder eher einen allgemein-didaktischen Charakter: Leid und Freude sind miteinander verbunden. Mit angemessener Klage muss das eine um des andern willen erlitten werden. Wer wartet, kann auf Freude hoffen.

Als meister (CE V,2) in der Minne und der Kunst möchte der Sprecher in der Welt gelten. Keiner erträgt so schön wie er das Leid. Durch eine Frau kann er nicht schweigen; ihren haz/has (CE V,8) wandelt er in Freude um (vgl. Str. V).

Dann (in BC setzt das Lied damit ein) werden zwei Wege aufgerufen: Jener von der Freude zum Leid ist dem Sprecher schon lange bekannt; jener vom Leid zur Freude ist unbetretbar. Es scheint weniger eine Weggabelung zu sein als vielmehr eine Einbahnstraße, mit deren Enden Freude und Leid in Opposition zueinander gebracht werden. Dann zeigt sich ein innerer Konflikt: Die Ursache seines Leides sind seine Gedanken (Minne wird damit als etwas gedankliches innerhalb des Ichs charakterisiert); dessen ist sich der Sprecher bewusst, doch will er so handeln, als würde er das nicht verstehen. Die Minne soll verflucht sein, wenn sie nur Unglück bringt (vgl. Str. VI).

So zeigt sich, dass die Strophen in sich relativ geschlossene Sinneinheiten bilden, wodurch unterschiedliche Reihungen möglich werden; gleichzeitig sind übergreifende Bezüge erkennbar, etwa die enge Verbindung von Liebe und Leid sowie die Frage nach der Aufrichtigkeit des Sagen und Singens. Dies ist auch ein Thema, dass die beiden Gruppen des Überlieferungsverbundes miteinander teilen.

Sandra Hofert

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