LDM -- Strophensynopse

Der tugendhafte Schreiber, ›Ein selig wib mit vil wiplicher guͤte‹

C Schreiber 1

I	C Schreiber 1 = KLD 53 I 1

Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 305va

[ini E|4|blau]%In #s{e|æ}l{i|e}{g|c} w{i|î}{b|p} mit vil w{i|î}pl{i|î}ch#er g{u^e|üe}-/te·,

g{#v^o|uo}t #vn#d reine, vil #sch{o^e|œ}ne #vn#d h{e|ê}-/re·,

die erwelte m{i|î}#n h#erze #vn#d erk{o|ô}s / m{i|î}#n gem{#v^e|üe}_|te_·, [[2 i¬welte mîn herze~i KLD (zur Vermeidung des Auftaktes)]][[2 i¬gemüete~i KLD]]

d#c ich mit tr{u^iw|iuw}e#n ir die-/ne iemer mêre·.

n#v t{o^v|ou}{g|c}{t|} m{i|î}#n dien#st, m{i|î}#n #st{e|æ}te, / m{i|î}#n tr{u^iw|iuw}e al#se kleine·, [[3 Zur handschriftlichen Form i¬t{o^v|ou}gt~i: das Präteritopräsens i¬tugen~i zeigt seit dem 12. Jh. auch Formen eines regulären schwachen Verbs (h¬25~hMhd. Gramm. § M 96).]]

d#c ich die n{o|ô}t in de#m¦h#er-/zen beweine·. /

C Schreiber 2

II	C Schreiber 2 = KLD 53 I 2

Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 305va

[ini S|2|blau]in wil beke#nnen no{h|ch} wi{#s#s|zz}en die #sw{#e|æ}re·, [[3 i¬sin~i = i¬si ne~i.]]

wie / mich ir g{#v^e|üe}te an den #si#nnen ber{o^v|ou}bet·. [[2 i¬ber{o^v|ou}bet~i$ i¬betoubet~i KLD]] [[3 Das swV. i¬berouben~i fordert im Allgemeinen ein Genitivobjekt, kann jedoch auch mit der Präposition i¬an~i stehen (vgl. BMZ II/1, S. 778).]]

r{i|î}ch / #vn#d #s{e|æ}l{i|e}{g|c} an fr{o^ei|öu}den ich w{#e|æ}re·,

wa#n d#c ir fr{o^e|e}mde / mich fr{o^ei|öu}den ber{o^v|ou}bet·. [[3 i¬vremde~i stF. ›Entfremdung, Feindschaft‹ (Le III, Sp. 501).]]

d#c meht ei#n lache#n, ein / bli{k|ck}en, ein fr{u^i|iu}ntl{i|î}che{s|z} gr{u^e|üe}zen·

m{i|î}#n #sende / #sw{e|æ}re vil #sanfte geb{u^e|üe}{#s#s|z}en·! /

C Schreiber 3

III

III	C Schreiber 3 = KLD 53 I 3

Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 305va

[ini O|2|blau]b ich #si ha{#s#s|zz}e, d{u^i|iu} m{i|î}#n h#erze twi#nget·? [[2 i¬ha{#s#s|zz}e~i$ i¬lâze~i KLD]]

nein, e{s|z} / v#erb{u^i|iu}tet d{u^i|iu} mi#nne vil #s{e|ê}re·!

vo#n d#er mir #sor-/ge #vn#d k#vmb#er ent#springet·,

die m{#v^o|uo}{s|z} ich mi#n-/nen ie langer ie m{e|ê}re·.

mir i#st d{u^i|iu} liebe, / d{u^i|iu} g{#v^o|uo}te, d{u^i|iu} #sch{o^e|œ}ne {a|â}ne l{o^v|ou}gen·

lie{b|p} i#n dem h#er-/zen, vil #senfte in den {o^v|ou}gen·. /

C Schreiber 4

IV	C Schreiber 4 = KLD 53 I 4

Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 305va

[ini F|2|blau]{#v^i|ü}r alle die wu#nne, v{u^i|ü}r alle die {e|ê}re·,

f{u^i|ü}r / alle die fr{o^e|öu}de des fr{o^e|œ}l{i|î}che#n meie#n·,

gert / ich mir #selbe#n geli#ngen niht m{e|ê}re·

wa#n mit / d#er lieben ein liepl{i|î}che{s|z} zweien·.

w{a|â} wart / ie meie #s{o|ô} #s{#v^e|üe}ze, #s{o|ô} g{#v^o|uo}t v{u^i|ü}r die #sw{#e|æ}re·?

wa{s|z} / fr{o^ei|öu}de bl{u^o|uo}me#n ze>>breche#n d{a|â} w{#e|æ}re·! / [[1 i¬fro^eide~i$ i¬o~i gebessert]]

C Schreiber 5

V	C Schreiber 5 = KLD 53 I 5

Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 305va

[ini S|2|blau]{o|ô} r{i|î}che{s|z} w{u^i|ü}n#schen, #s{o|ô} h{o|ô}h#er gedinge·, [[3 i¬gedinge~i swstM. ›Hoffnung, Zuversicht‹ (MWB II, Sp. 209).]]

#s{o|ô} / wol gedenke#n, da{s|z} fr{o^ei|öu}t mich vil #s{e|ê}re·, /

d#c i#st an fr{o^ei|öu}de#n m{i|î}#n h{o^e|œ}h#ste gelinge·,

da{s|z} / m{i|î}n gedanke mich mache#nt #s{o|ô} h{#e|ê}re·,

d#c ich / de#m kei#ser an fr{o^ei|öu}de#n niht f{u^o|uo}{s|z} wolde entw{i|î}-/chen·, [[3 i¬niht fuoz entwîchen~i meint hier wohl ›nicht um eine Fußesbreite, nicht im Geringsten hintanstehen‹ (vgl. zur Wendung i¬[einen] fuoz entwîchen~i Le III, Sp. 579).]]

#swe#nne ich gede#nke an die vil mi#nnecl{i|î}che#n·. /

Kommentar

Überlieferung: unikal in C.

Form: 4-a 4-b / 4-a 4-b // 5-c 4-c.

Kanzonenstrophe mit durchgehend daktylischem Rhythmus. I,3 ist in der überlieferten Form der einzige Vers mit (zweisilbigem) Auftakt. dienst (I,5) lies dienest.

Inhalt: Werbe- und Klagelied. In den Str. I und II preist der Sprecher die Tugendhaftigkeit und die Schönheit seiner Minnedame und beklagt erst deren abweisendes Verhalten, das ihm Kummer bereitet (I,5f.; II,4) und den Verstand raubt (II,2), um dann ihre Zuwendung zu imaginieren (II,5f.). Trotz der ambivalenten Gefühle hält er an seinem Minnedienst fest (Str. III) und imaginiert ein weiteres Mal die Freuden der Liebeserfüllung (Str. IV). In der Schlussstrophe, die den Kaisertopos aufgreift (V,5, vgl. Weber, S. 131), weicht die Klage dann vollends der Zuversicht: Allein die Hoffnung auf die Gunst der Dame sei höchstes Glück.

Stephanie Seidl