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Überlieferung: Der Kreuzzugsaufruf CB 48 steht in M in einer Liedgruppe (CB 46–55), die überschrieben ist mit De cruce signatis (fol. 12r). Das Kreuzzugsthema der Gruppe endet jedoch bereits mit CB 52 wieder. Neben CB 155 ist CB 48 das einzige von h¹, dem Hauptschreiber, geschriebene Lied mit deutscher Strophe. Diese Tageliedstrophe (Str. VI) ist auch deshalb eine Ausnahmeerscheinung, weil neben ihr und CB 183a keine weiteren Tagelieder in der Liedsammlung vertreten sind. Str. VI ist anderweitig im Codex Manesse als dritte Strophe eines Tagelieds Ottos von Botenlauben überliefert (vgl. den Kommentar zu diesem Lied). Eine zweite Bezeugung des Liedes ist in der Kleinen Heidelberger Liederhandschrift (A) unter den Namen Niunes eingereiht. In dieser Fassung erscheint der Text von Str. VI bzw. C III gesplittet auf zwei Strophen: der Aufgesang findet sich in der letzten Strophe, während der Abgesang die Anfangsstrophe abschließt.
M ist der einzige Überlieferungszeuge, der es erlaubt, eine Melodie auf ein Lied Ottos von Botenlauben zu beziehen (Breitfeld, S. 253).
Form (Str. I–V): 10' 5' 10'/ 10' 5' 10' // 10' 10' 5' 10' //R 5
Innerhalb der Strophe wechseln Zehn- und Fünfsilbler. Dem Rhythmus des Liedes entspricht am besten, »wenn man die Zehnsilbler in 2 (rhythmische) Trochäen und 2 (rhythmische) Daktylen, die Fünfsilbler in je 1 Trochäus und 1 Daktylus zerlegt. Tonbeugungen [...] sind dann allerdings in Kauf zu nehmen« (CB/V, S. 986). Variierendes Reimschema. Die Neumennotation lässt erkennen, dass eine Rundkanzone vorliegt (Beatie, S. 473).
Form (Str. VI): 5-a 3b .5c / 5-a 3b .5c // 4d 4d .3e .5e //R 2x
Kanzonenstrophe. Die deutsche und die lateinischen Strophen teilen die Verszahl sowie die Abfolge längerer und kürzerer Verse. Die Struktur ist dieselbe: zwei dreiversige Stollen, ein vierversiger Abgesang sowie ein kurzer Refrain. Allerdings hebt Str. VI den Abgesang deutlicher vom Aufgesang ab als die lateinischen Strophen (vgl. CB/V). Der Refrain könnte auch dreihebig sein (vgl. Beatie, S. 287).
Inhalt: Kreuzlied, das mit der deutschen Strophe eines Tagelieds abschließt. Das Lied »erweckt den Eindruck«, bald (nunc I,2) »nach 1187, als die Einnahme Jerusalems durch Saladin in Europa bekannt wurde und den 3. Kreuzzug auslöste«, gedichtet zu sein (CB/V). »Gestalten des Alten Testamentes [dienen] als Präfigurationen, als Deutung der eigenen Zeit« (Wentzlaff-Eggebert, S. 165). Str. I berichtet von den Geschehnissen im Heiligen Land: Grab und Kreuz Christi sind in die Hände der Sarazenen gefallen, was das Opfer der Passion Christi gefährde. Dass Christus sich für die Menschheit hingegeben habe, was zur Nachfolge verpflichte, wird beständig wiederholt (pro nobis, quantum nobis etc.). Die ersten drei Strophen bereiten zunächst indirekt (mittels der biblischen Episoden um David und Elia) auf die adhortatio, den Aufruf zur Kreuznahme, vor (ebd., S. 165ff.). Str. II und III begründen die Notwendigkeit, die Heiden zu bekämpfen und die Stadt zurückzuerobern (dum rehabuerit). Der Wunsch, das Kreuzesholz wiederzuerlangen, bereitet den konkreten Gedanken einer Kreuzfahrt vor. CB 48 ist dabei jedoch nicht eigentlicher Aufruf zur Kreuznahme, denn diese hat bereits stattgefunden (in hoc exercitu; iam tempus; nunc videat; iam tenemur IV,1–V,3). Str. IIIf. thematisiert die ›richtigen‹ Beweggründe, die ein Kreuzfahrer haben müsse: das Ziel zur Umkehr, Reue, Buße. Die Str. I/II und III/IV sind parallel gebaut, der Refrain leitet unmittelbar über zum Beginn der nächsten Strophe. Zu dieser Funktion des Refrains und seiner Form vgl. Beatie, S. 475f. In Str. V laufen die Fäden des Liedes zusammen: »Die Hoffnung, dass Gott sich erheben wird – Exurgat deus! –, um den Seinen zu helfen, hat ihren Grund in der zentralen Heilstatsache, dass er sich schon einmal [...] erhoben hat [...] aus dem Grabe, das es jetzt zu befreien gilt« (CB/V).
Bei der deutschen Strophe handelt es sich um eine Frauenstrophe. Obwohl CB 48a in der Parallelüberlieferung nicht wie sonst die erste Liedstrophe bildet, findet sich ein Bezug auf den Wächterruf (VI,1f.) häufig zu Beginn von Tageliedern. CB 48a könnte daher einer Vorlage entstammen, in der diese Strophe am Beginn des Liedes stand (Sayce, S. 236). Dagegen erwägt Sager, S. 169, die gezielte Auswahl dieser Strophe aufgrund ihres Potenzials zur Umdeutung des Weckrufs.
Im Allgemeinen wird die deutsche Tageliedstrophe als Vorlage für die Str. I–V angesehen, was aber zur These, die lateinischen Strophen seien zeitnah (um 1188) entstanden, und zu den Lebensdaten Ottos von Botenlauben nicht passt (siehe oben, vgl. CB/V, Beatie, Wachinger, S. 300f.). Das Auftreten eines Refrains – lat. Refrains sind im Codex Buranus außerhalb der Liebeslieder extrem selten (vgl. Janota, S. 211) – erklärt sich als Aufgreifen des Tageliedrefrains, einer in der Alba häufigen Formtechnik. Stand uͦf, riter! wird im Kontrafakt zu Exurgat deus! (vgl. Janota, S. 212). CB/HS vermuteten dagegen in der Ähnlichkeit der Form den Grund für eine nachträgliche Zusammenstellung beider Liedteile. Man habe außerdem den Minnesänger Otto von Botenlauben mit dem Kreuzfahrer Otto assoziiert (vgl. Edwards, S. 274). Gegen eine nachträgliche Zusammenstellung spricht jedoch – neben dem engen semantischen Konnex der beiden Refrains – die aus den Neumen (der Str. I–V) gewonnene Melodie, die mit CB 48a eher kongruiert als mit CB 48 (Beatie, S. 473). In jedem Fall musste der Ton des Tagelieds dem Hörer von Anfang an präsent sein, das Kreuzlied werde zur »aufrüttelnde[n] Gegenposition zu Schlaf und Minne« der Tageliedsituation (Wachinger, S. 301), es stelle »die Alternative[n]: Frauenliebe oder Gottesdienst« einander gegenüber (Mertens, S. 272). Gegen das Argument, CB 48 sei kritische Gegenposition zu CB 48a, ließe sich einwenden, dass eine einträchtige Zusammenstellung dieser Liedgattungen unter dem Aspekt des Abschieds durchaus Parallelen hat: Selbstständige Kreuzzugsabschieds-Strophen finden sich am Schluss von A Johd 1 und dem Tagelied C Lienz 1. Die Kombination Tagelied-Abschied und Pilgerfahrt findet sich später auch bei Oswald von Wolkenstein, Kl. 17 (Müller, S. 100). Tagelied und Kreuzlied behandeln gleichermaßen Abschiedsituationen, gepaart mit einer Atmosphäre der Wachsamkeit im Angesicht des Feindes (Beatie, S. 478). Das ›geistliche Tagelied‹ des späten Mittelalters beutet die Valenzen der Tageliedmotivik mannigfaltig für religiöse Aussagen aus; das Carmen erscheint als ein Vorläufer dieser Kunstform.
Neuere Beiträge lösen den Datierungskonflikt durch Spätdatierung des Kreuzliedes. Drumbl, S. 342, erwägt eine Entstehung nicht lange vor dem Codex Buranus selbst und einen Bezug zu Friedrichs II. Kreuzzug 1228. Sager stellt das lateinische Carmen in das Umfeld der Kreuzzugspropaganda Innozenz’ III. nach 1213.
Theresa Höfle / Sonja Glauch