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Rubin, ›Mich hat ein lieber wan‹
C Rubin 8
I
IC Rubin 8 = KLD 47 III 1
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 170rb
C Rubin 9
II
IIC Rubin 9 = KLD 47 III 2
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 170rb
C Rubin 10
III
IIIC Rubin 10 = KLD 47 III 3
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 170rb
C Rubin 11
IV
IVC Rubin 11 = KLD 47 III 4
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 170rb

Kommentar

Überlieferung: Das Lied ist zweimal in ähnlichem Wortlaut überliefert, und zwar außer in C auch in den Nach­trägen von A, die zwar keinen Autor nennen, aber in diesem Abschnitt deutlich auf eine reine Rubin-Samm­lung zurückgehen. Die C-Fassung besitzt eine vierte Strophe, die A nicht kennt. In beiden Handschriften folgt das Lied auf Ich singe sunder minen dank (A Namenl 1–7 / C Rubin 4–7), zu dem auch enge textliche und inhaltliche Bezüge bestehen (s. unten). Touber, S. 200, konstatiert daneben einen Zusammenhang im Strophenbau der beiden Lieder, der für die Anordnung in den Handschriften maßgeblich gewesen könnte. Man darf die Lied­abfolge aber für früher, spätestens in autornaher Über­lieferung entstanden halten.

Form: Die Kanzonenstrophe mit dem Schema .3a .3b .4a / .3b .3a .4b // .4c .5d .3d .4c .4d ist die einzige in Rubins Œuvre, die einen dreizeiligen Stollen mit Kreuzreimen kombiniert und dadurch das paarige Prinzip des Aufgesangs (3 3 4 / 3 3 4) mit einer Dreierstruktur (ab ab ab) überlagert. Die Versfüllung ist bemerkenswert regelmäßig, die einzigen signifikanten Schema-Abweichungen finden sich in III,3 (fehlender Auftakt in beiden Handschriften) sowie in A II,3 (Unterfüllung).

Inhalt: Das Lied formuliert eingangs die Erkenntnis des Sprechers, sein lieber wan, der froͤide nicht nur verheißt, sondern geradezu selbst spendet, sei töricht und lebenszeit­vergeudend. Diese selbst­kritische Erkenntnis wird in der zweiten und dritten Strophe gleich wieder kassiert und in einem Tugendlob der Geliebten (ir ere, guͤte, wiplich leben, reine tugent) aufgehoben. Der Gedanke, sie habe noch immer mehr Freude zu geben als Leid (II,7f.), erlaubt die Rückkehr zur Zuversicht auf Lohn und damit zur Freude (II,9ff.). Erst die vierte Strophe nimmt die Unerbitt­lichkeit der Dame wieder in den Blick. Die dritte Wieder­kehr der Wäge-Denkfigur (II,7f.: kein Leid, zu dem sie nicht noch mehr an Freude in petto hat; III,10f.: ihr Trost wiegt schwerer als sein Kummer) lässt es kippen: immer noch mehr, als er bitten, kann sie versagen (verzihen, IV,1ff.), womit der Ausgangs­punkt, die Erinnerung an die gar verzigen Hoff­nung im letzten Jahr, wieder aufge­rufen ist. Den Schluss bildet die Bereit­schaft des Sängers, sich zurückzu­ziehen, um die Dame vor der missbil­li­gen­den Gesellschaft (die ungemuͦ­ten, die man in valscher huͦte siht IV,6.10) nicht mit einem Wort oder einem heimlichen Blick zu kompromittieren.

Rubins liedübergreifende Poetik kommt darin zum Tragen, dass in der ersten Strophe nicht nur behauptet wird, eine Situation des vergangenen Jahres (vert) wieder­hole sich jetzt (der Sänger ist aber vro), sondern dass ein anderes Lied (A Namenl 1–7 et al.) von diesem Verweis präzis angezielt wird. Enge Bezüge auf mehreren Ebenen (zitat­artige Reim­responsionen, Leit­begriffe, Motive; nach­gewiesen bei von Kraus, S. 413f.) garantieren die Verkettung der Lieder. Als besonders wirkungsvoll hervor­zuheben sind die Reimechos geligen : verzigen : gedigen (Str. I) zu gesigen : verzigen : geligen C 4 und me : we : ste (IV) zu we : me : bestê C 7. Das Lied behauptet also auch, »unbesonnene Äußerungen, welche die Geliebte böswilliger Nachrede ausgesetzt haben« (von Kraus), nämlich die des ›vorjährigen‹ Liedes mit seiner Phantasie sexueller Erfüllung, zurück­zunehmen.

Als Prätexte wurden schon sehr früh Walthers L 92,9, L 61,32 und L 185,1 ausgemacht. Im Zusammen­hang zwischen L 185,1 und der Einzel­strophe L 61,32 scheint auch das Verfahren liedüber­greifender Rück­bezüge präfiguriert. Rubin hätte nicht nur mit Ich singe sunder minen dank (A Namenl 1–7 / C Rubin 4–7) Walthers L 185,1 ›nachgedichtet‹, sondern sich so stilisiert, »als habe auch er unter dem Druck der Gesellschaft seine Position korrigieren müssen, als sei auch er – gleich Walther – zu Widerruf und Apologie genötigt worden« (Kaiser, S. 69).

Sonja Glauch

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