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Burkhard von Hohenfels, ›Ich wil min gemuͤte erjetten‹ (C 64–68) Lied zurückLied vorDruckerTEI Icon

Überlieferung

C Burk 64–68

Kommentar

Überlieferung: Das Lied ist unikal in Handschrift C überliefert.

Form: Gleichversige Stollenstrophe. 4-a 4b / 4-a 4b // 4-c 4d 4-c 4d. Ohne Melodie ist nicht zu entscheiden, ob der Abgesang den Aufgesang wiederholt. In jedem Fall handelt es sich (wie bei C Burk 45-49, dort mit Refrain) um eine Sonderform der Stollenstrophe, die vielleicht von romanischen oder mittellateinischen Mustern beeinflusst war (Ranawake, S. 288–299).

Inhalt: Gespräch zweier junger Frauen über eine Zwangsverlobung sowie über die Freiheit von Gedanken und heimlicher Liebe. Zum Typus des Gespielinnengesprächslieds vgl. Joldersma. Die Gesprächssituation selbst und das Thema erinnern entfernt an Neidharts Sommerlieder, allerdings ohne deren derben Humor zu replizieren. Fritsch-Staar stellt das Lied in den Kontext altfranzösischer chansons de la malmariée, die aus Frauenperspektive unerwünschte und/oder erzwungene Eheanbahnungen oder Ehen thematisieren.

In den ersten beiden Strophen stellt die erste Freundin in einem Gespräch mit einer vertrauten Freundin (vgl. die Apostrophe I,3) die Freiheit von Wünschen und Gedanken (I) gegen die drohende Verlobung (I,7) mit einem unliebsamen Mann (II). Tanzen wird relativ kurz (I,3) als Möglichkeit solcher Freiheitsentfaltung erwähnt; dies ist ein rekurrentes Motiv in Burkhards Tanz- und Gesprächsliedern (vgl. C Burk 1–5, 27–31 und 45–49). Ihre Freundin, die ihre Antwort mit der ebenso vertraulichen Anrede Liebe (III,1) beginnt, gibt Ratschläge und votiert für freies und geheimes Lieben; dieses Thema greift entweder sie selbst oder die erste Freundin in IV auf und vertieft es fast durchgängig als allgemeingültige Minneethik (vgl. aber IV,4; s. u. zum Problem der Rollenverteilung). In Str. V bestärkt wohl die erste Freundin das Bekenntnis zur freudestiftenden geheimen Wunschliebe und äußert ihre Absicht, einem sie im Geheimen liebenden Mann ihr Herz zu senden.

Wenngleich deutlich ist, dass zwei Frauen sprechen, ist auch aufgrund des Fehlens von Apo­stro­phierungen oder Regieanweisungen (vgl. Händl, S. 241) die Verteilung der Rollen in IV und im Aufgesang von V unklar. Die von Bartsch/Golther vorgeschlagene und von KLD übernommene Rollenzuweisung sieht neben Str. III auch IV und V,1–4 für Freundin 2 vor. Deren Rolle erscheint durch diese durchaus mögliche Einteilung als die einer überlegenen Ratgeberin, der alle allgemeingültigen Diskussionsanteile zugeordnet werden. Da aber eine Strophe in den anderen Gesprächsliedern Burkhards nie auf zwei Sprecherinnen verteilt wird und V,5–8 sicher Freundin 1 zugewiesen werden kann, würde ich die gesamte Str. V der ersten Freundin zusprechen. Wer in Str. IV redet, ist dagegen genuin unklar: Der allgemeingültige Charakter würde eher für Freundin 2 in ihrer Beraterinnenrolle sprechen. Allerdings benutzt Freundin 2 in Str. III nur die 1. Pers. Pl. (III,3 und 7), schließt also die Freundin immer ein. Wenn man die Sprecherinnenzuweisung für IV nicht ohnehin offen lassen will, würde ich aufgrund des in der 1. Pers. Sg. gehaltenen V. IV,4 (›Ich will zur Gruppe der Freudigen‹) auch Str. IV der ersten Freundin zuordnen, der damit im Vergleich zu früheren Editionen auch Kompetenzen im Verallgemeinern persönlicher Erfahrung und ein größeres Maß an allgemeiner Liebesweisheit zugesprochen wird.

Markus Stock

Kommentar veröffentlicht am 01.10.2020; zuletzt geändert am 06.05.2024.
Gehört zur Anthologie: Dialog- bzw. Gesprächslied
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