Überlieferung: unikal in M. Der Codex Buranus enthält neben CB 183a nur noch eine weitere Strophe der Gattung Tagelied, nämlich CB 48a. M ist damit die älteste Handschrift, die ein deutsches Tagelied überliefert (vgl. Dronke, S. 193).
Form (lateinische Strophen): 8' 8' //R 6' 7 6' 8' ‖ aa bxbb
Der Rhythmus ist jambisch.
Form (deutsche Strophe): .4a .4a .3b .3-x+.3b .3b
Metrisches und Reimschema der lateinischen Strophen und der deutschen stimmen überein, wenn man davon ausgeht, dass procul in V. 5 zu tilgen wäre.
Die Form – ein Paarreim, gefolgt von einem Dreireim – hat eine Parallele in Neidharts Sommerliedern und einem Tagelied Christans von Hamle (C 18–21; vgl. Sayce 1982, S. 241).
Inhalt: Die lateinischen Strophen beschreiben eine Beischlafszene in cellula im Modus der Phantasie. Die deutsche Tageliedstrophe setzt die Schilderung fort: Am Ende der gemeinsamen Nacht folgt die Verabschiedung. Die Verborgenheit der anonymen Geliebten (puer – puellula) passt zum Motiv der tougenlichen minne in III,4. Der minnedidaktische Charakter der deutschen Strophe erinnert an CB 175a (vgl. Edwards, S. 278f.).
Man hat aufgrund von III,1 erwogen, dass in Strophe III der Wächter, nicht die Minnedame, spreche, wogegen aber die Anrede vil liebe steht (vgl. Sayce 1982, S. 240f.). Edwards verteilt die Strophe gar auf drei Sprecher: Wächter (V. 1), Frau (V. 2) und Mann (V 3–5; Edwards, S. 278f.).
Aus Gattungsgründen (Tagelied) ist wohl anzunehmen, dass die lateinischen Strophen der deutschen Strophe nachgedichtet sind.
Theresa Höfle / Florian Kragl
M Namenl/71v/2 1 = CB 183,1Zitieren | |||
![]() Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 71v | |||
I | |||
M Namenl/71v/2 2 = CB 183,2Zitieren | |||
![]() Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 72r | |||
II | |||
M Namenl/71v/2 3 = CB 183aZitieren | |||
![]() Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 72r | |||
III | |||