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Tannhäuser, ›Der winter ist zergangen‹ (C 3) Lied zurückLied vorDruckerTEI Icon

Überlieferung

C Tannh 3

Kommentar

Überlieferung: Der Leich ist unikal in C überliefert.

Form: Vgl. Leichschema

Der mit Kuhn dem Lai-Typ zuzuordnende Leich ist komplex aufgebaut. Besonders die Versikel des Typ B zeichnen sich durch mannigfaltige interne Variationen aus, bei denen teilweise ganze Verse ergänzt oder ausgelassen werden. Dagegen stehen Versikel schlichterer Bauart wie C oder D, die über den Reim auch zu Vierer- oder Sechsergruppen zusammengesetzt werden. Wenngleich sich die Verwandtschaft unterschiedlicher Versikel erkennen lässt »gehorchen sie keinerlei strophischer Rationalität […], sondern einem evolvierenden Muster« (Kischkel, S. 142). Eine vertiefte Formbeschreibung gestaltet sich vor allem wegen der verlorenen Melodie als schwierig (Wachinger, S. 724; Kuhn, S. 131f.). Den Ansatz von Binnenreimen an einzelnen Stellen legen auch die Reimpunkte der Handschrift nahe.

Die Auftakte sind überwiegend frei geregelt.

Inhalt: Am Beginn des Leichs verkündet der Sänger das Winterende, welches mit einer ausführlichen Naturallusion vergegenwärtigt wird (V. 1–33). Das Sprecher-Ich springt mehrfach zwischen »verschieden[en] Ebenen der Imagination« (Wachinger, S. 724) hin und her. Überblendet werden dabei eine gegenwärtige sommerliche Situation in der Natur mit Tanz, ein bereits vergangener Tanz und ein ebenfalls zurückliegender Spaziergang auf der Heide. Im Zentrum steht die Erzählung eines ›Minne-Kasus‹ (Kreibich, S. 34f.), den der Ich-Sprecher auf dem zurückliegenden Spaziergang erlebt hat, von dem aber letztlich nicht klar wird, ob er womöglich nur in der Imagination stattgefunden hat (V. 19–87). Als präsumtives Signal dieser »Artifizialität des Geschehens« (Klein, S. 538) fungiert ggf. die auffällige Häufung französischer Lehnwörter im Erzählteil. Zugrunde gelegt wird ein höfisches Modell der Dienstminne (V. 15–18), das der Leich allerdings insofern variiert, als in ihm eine gegenseitige und sexuell erfüllte Liebe denk- und erlebbar wird (V. 75–94). Der ausführliche Schönheitspreis des Ich-Sprechers folgt dem Schema a capite ad calcem (V. 34–51). Nach einem emphatischen Liebesbekenntnis und einer Dienstansage an die Minneherrin (V. 52–63) ist es die Dame, die weiteren erotischen Gesang, mithin ein ›Lied im Lied‹, vom Sänger einfordert (V. 68–70), bevor es zur Liebesvereinigung kommt (V. 75–87). Eine kurze Reflexion der Minnebegegnung schließt den Minne-Kasus ab und holt das Leichgeschehen zurück in die Gegenwart (V. 88–104), wobei rhythmisch bereits der Übergang zum Tanzteil vorbereitet wird (V. 101f.). Endgültig eröffnet wird dieser abschließende Teil, der sowohl vom Personal als auch vom allgemeinen Duktus an das dörperliche Genre erinnert, durch den Tanzaufruf an verschiedene Frauen (V. 105–108). Erneut durchbrochen werden die verschiedenen Ebenen des Leichs, wenn im gegenwärtigen Tanz eine nun namentlich benannte Minnedame des Sänger-Ichs auftaucht (V. 119­–124), die möglicherweise mit der Frauenfigur des Minne-Kasus identisch ist. Ein Ende finden sowohl Tanz als auch Leich schließlich durch das Reißen der Saite des Geigers (V. 125f.).

Manuel Mildner

Kommentar veröffentlicht am 02.11.2022.
Gehört zur Anthologie: Leich
 C Tannh 3 = HMS II 90 III; Siebert IIIZitieren
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