Überieferung: Drei Strophen in C (Burggraf von Riedenburg) und B2 (Burggraf von Regensburg), die beiden ersten der Strophen führt auch B (Burggraf von Riedenburg).
In C haben die Strophen Kanzonenform, sie sind formal nur leicht unterschiedlich, die Initialenfarbe markiert den Tonzusammenhang. Die formale Analyse und die Zusammengehörigkeit der drei Strophen in B und B2 ist umstritten. Mit Brunner und Schweikle geht die vorliegende Edition von größeren Freiheiten innerhalb eines Tons aus, während bei MF/MT einstrophige Lieder ediert sind.
Erschwert wird die formale Analyse von Str. B2 III durch die beschädigte, eventuell korrumpierte Überlieferung.
Form nach C: Kanzonenform mit kreuzgereimtem Aufgesang, den Abgesang bilden Reimpaare. Die Hebungszahl der Verse im Abgesang weicht teilweise von Strophe zu Strophe ab. Wegen dieser formalen Freiheiten ist nicht immer eindeutig, mit wie vielen Hebungen die Verse zu realisieren sind.
4a 4b / .4a .4b // (.)3*4c (.)3*4c 4d 4d 3e (.)3*4e
C III,1/3 hat weibliche Kadenzen. C III,7 hat Auftakt, C III,9 ist entweder dreihebig mit Auftakt (danne déich ir díene víl) oder vierhebig ohne Auftakt (dánne daz ích ir díene víl).
Im Vergleich mit C sind in B2B I die V. 3f. vertauscht (umarmender Reim statt Kreuzreim), es liegt eine Periodenstrophe vor. B2B II,1/3 sind Waisen; wenn die Wortreihenfolge nicht nach C zu korrigieren ist, zeigt sich hier entweder ebenfalls eine Nähe zur Periodenstrophe, oder es sind »eigentlich Langzeilen der Form 4/4a 4/4a gemeint« (Brunner, S. 207).
In B2 III ist der Strophenform ein zusätzlicher elfter Vers angefügt, der an V. 8 anreimt (tot : not); als unreiner Reim ordnet sich diesem Reimpaar zusätzlich erchos (B2 III,7) zu; auch scheiden : beide (B2 III,1/3) sind unreine Reime. Die Überlieferung von B2 III ist dabei wohl korrupt: Die Versgrenze in B2 III,1f. trennt Voll- und Modalverb (scheiden wil), Satz- und Versgrenze stehen also auffällig gegeneinander, außerdem betreffen die Waisen mit B2 III, 2/4 (tuot/mich) ausgerechnet die (vermutlichen) Stollenschlüsse. Die Form von B2 III würde mehrere Eingriffe benötigen, um sie ans Reimschema anzugleichen. Womöglich wären mit Brunner das Enjambement in B2 III,1f. zu beseitigen und die Waisen auf B2 III, 1/3 zu verlegen, so dass die ersten vier Kurzverse an die Form von Str. II angeglichen werden und ebenfalls als Langverse gedeutet werden könnten (Sît si mich von ir scheiden wil, / dem si dicke tuot gelîch / ir schône und ir guote beide / di lâzze sî, sô cher ich mich).
Die Forschung geht üblicherweise davon aus, dass der C-Barbeiter die ursprüngliche Strophenform verändert und die Strophen formal einander angeglichen hat (z. B. Worstbrock, S. 124). Die Inversion der Stollenreime im Aufgesang von B2B II könnte an romanische Vorbilder angelehnt sein (ebd., S. 125, Anm. 37), genau wie die Strophenform von Str. III (vgl. ebd., S. 126).
Inhalt: Minneklage. Die drei Strophen sind durch ihren Beginn (Sit si) miteinander verbunden.
Str. I beginnt mit einem Natureingang: Es wird Sommer und vil manic herze ist fro (C I,2); das Ich ist dagegen betwungen (I,5) und weiß nur den rat, / daz ich nu̍we minen sanc (C I,7). Der Strophenschluss (I,8–10) betont, dass die Zeit des Leids zu lange gedauert hat (Lieb, S. 138f., geht davon aus, dass das Ich sich hier durch den Gesang und die Jahreszeitentopik seine Wirklichkeit ›Winter‹ selbst definiert; Neukirchen, S. 298, betont dagegen, hier sei die »Kunst im wahrsten Sinne des Wortes« markiert »als sekundärer Ersatz für die verlorengegangene Unmittelbarkeit, auf ein bestimmtes Naturereignis [...] zu reagieren«). In Str. II vergleicht das Ich seine Prüfung durch die Geliebte mit der Läuterung des Goldes im Feuer, erneut mit Bezug auf das eigene Singen (vgl. Schweikle, S. 412f., Worstbrock, S. 125f., Neukirchen, S. 299f.). Mit Str. B2C III versichert das Ich mit verstärktem Klagegestus seine Treue; damit es sich von der Geliebten abwende, müsse erst sie ihre Schönheit und guͤte (C III,3) aufgeben.
Simone Leidinger
C Riedenb 5 = MF 19,7Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 120ra | |||
I | |||
C Riedenb 6 = MF 19,17Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 120ra | |||
II | |||
C Riedenb 7 = MF 19,27Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 120ra | |||
III | |||