Überlieferung: ABC überliefern unter Reinmar ein vierstrophiges Lied, in E zusätzlich ergänzt um eine dort unikal überlieferte Strophe. Die Reihenfolge der überlieferten Strophen ist im Handschriftenvergleich stabil; einzig in A sind die zweite und dritte Strophe vertauscht.
In C werden die Strophen ferner gemeinsam mit C Reinm 60 61 als Liedzusammenhang präsentiert (siehe sekundäre Liedeinheit), formal fügen sich jene beiden Strophen jedoch deutlicher in den Überlieferungszusammenhang ihrer Parallelüberlieferungen ein, welcher sich v. a. im Abgesang deutlich von dem vorliegenden unterscheidet (siehe E Reinm 114–119 et al.).
Das vorliegende Lied wird in der Forschung mit der Reinmar-Walther-Fehde in Zusammenhang gebracht. Siehe zu jenem vermeintlichen Sängerstreit den Autorkommentar.
Form: .4a .6b / .4a .6b // 6c .7c .3d 5x .5d
Es liegen neunversige Stollenstrophen vor (mit Ausnahme der defekten Strophe E V). Den fünften Vers ausgenommen, ergeben je zwei Verse zehn Takte. Der c-Reim von B IV ist gestört. Dieser Fehler stand schon in der gemeinsamen Quelle von B und C; der C-Schreiber hat ihn nachträglich korrigiert. Abweichungen zeigen sich insbesondere in E. Ferner liegt kein Auftakt vor in A II / BC III,9. Überfüllt sind BC III,3 sowie BC IV,6.9.
Inhalt: Minneklage, deren zentrales Thema die Verteidigung des Sanges gegen den Vorwurf von Monotonie und fehlender Authentizität ist. Liebertz-Grün, S. 74, bezeichnet das Lied als »Metaminnekanzone, eine Reflexion über das für die Minnesangkanzone typische Gemisch aus objektsprachlicher und metasprachlicher Rede«.
Der Sprecher ist nicht froh, also wird er auch keine nu̍we[n] mere[n] (C I,1) sagen. Er weist den Vorwurf einer unangemessen Klage zurück. Minneklage ist für ihn kein »Vorwand zur schönen Klagegebärde, [k]ein artistisches Spiel« (Schweikle, Sp. 1185); vielmehr beteuert er in der in BCE zweiten Strophe seine Aufrichtigkeit und seine Treue im Dienst.
Mit dem Frauenpreis in der in BCE dritten Strophe zieht der Sprecher, »probeweise, ein anderes Register« (Hübner, S. 108), wobei er gleichzeitig mit der Differenz von Signifikant und Signifikat spielt. Das Lob der Dame und ihres Namens in (bzw. der Bezeichnung wip) in V. 1 gehen ineinander über, und kunstvoller Sang wird zum Spiegel für die Qualität des Besungenen.
Dadurch, dass in A die zweite und dritte Strophe vertauscht sind, erscheint das Frauenlob in A II als unmittelbare Antwort auf den Vorwurf übermäßiger Klage aus A I.
In der in ABCE vierten Strophe, für die Kasten, S. 846f., vermutet, dass Reinmar von einem Partimen zwischen den Trobadors Foulquet de Marseille und ›Tostemps‹ (vermutlich Raimon de Miraval) angeregt wurde (vgl. auch Kasten: ›geteiltes spil‹, S. 39–54), rückt wieder die Minneklage in den Mittelpunkt. Der Sprecher leidet an dem Dilemma des Minneparadoxons: Soll er die Würdigkeit der Dame mindern oder erhöhen? Beides würde ihm Leid zufügen. Hausmann, S. 147, spricht hier in Hinblick auf die Verinnerlichung gesellschaftlicher Normen von einer »Verinnerlichungskonzeption«. Anders Hübner: Aus seiner Perspektive bietet die Strophe eine Reflexion über die Macht des Sängers, der durch seinen Sang die Wertschätzung der Dame mindern oder erhöhen kann. Doch »[w]er kein Glück in der Liebe hat, soll die Frauen auch nicht als Freudestifterinnen loben [...]. Reinmars ›Preislied‹ ist ein Antipreislied [...]. Am Ende bleibt nur die Klage, weil sie wenigstens ehrlich ist« (S. 112).
Die Zusatzstrophe in E beteuert noch einmal die Aufrichtigkeit des Sprechers (vgl. möglicherweise das Konzept vom verbum cordis bei Augustinus: Sprache im Herzen als Ebene jenseits der Lautsprache, auf der das Erkennen der Wahrheit möglich ist).
Sandra Hofert
Überlieferung: Ein fünfstrophiges Lied ist in ACE im Reinmar-Korpus überliefert. In B ist es Teil des ursprünglich namenlosen Abschnitts der Reinmar-Sammlung (s. Korpuskommentar zu B). A führt ein zweistrophiges Lied.
BC überliefern das Lied mit gleicher Strophenreihenfolge. Die ersten beiden BC-Strophen bilden in E (mit vertauschter Reihenfolge) den Liedschluss. Die beiden Strophen in A entsprechen BC III / E I und BC II / E IV.
Auch auf Strophenebene unterscheiden sich eine BC-, E- und A-Fassung (vgl. vor allem BC I und E V sowie BC II, E IV und A II).
Für eine Übersicht über die Autorschaftsdiskussion vgl. MF/MTE, S. 109. Das Lied wurde auch im Zusammenhang mit der Reinmar-Walther-Fehde diskutiert. Siehe zu jenem vermeintlichen Sängerstreit den Autorkommentar.
Form: 3-a 4b / 3-a 4b // 4c .4x .6c
Es liegen siebenversige Stollenstrophen vor. Bei Realisierung der nicht-apokopierten Formen ist die Kadenz in B II,5.7 weiblich.
Die Form weist in E in Bezug auf Versfüllung und Auftakte Freiheiten auf und ist wiederholt gestört. So fehlt in E I,3 das Reimwort; E II,1, E III,2 und E IV,7 sind metrisch unterfüllt, in E III,1 ist zudem der Reim gestört; E V,6 hat weibliche Kadenz.
Inhalt: Die drei Fassungen des Werbelieds haben unterschiedliche Schwerpunkte.
Das Lied bietet in BC eine Minneklage, in der Leid und Freude, Verzweiflung und Hoffnung miteinander verbunden werden: Der Sprecher bekräftigt seinen steten Dienst (vgl. Str. I). Das Motiv der Fernminne wird aufgerufen (vgl. Str. II). Er preist die Dame, wobei insbesondere der Vergleich mit dem Ostertag das Lob religiös überhöht, gleichzeitig die religiöse Freude säkularisiert (vgl. Str. III). Spöttisch spricht das Ich schließlich über konkurrierende Werber, die es ihm unmöglich machen, zu der Dame zu kommen und ihr seine Rede vorzutragen (vgl. Str. IVf.). Belehrend schließt das Lied mit einem herablassenden Rat an die Mitwerber (vgl. Str. V).
Loleit überlegt, die in BC letzte Strophe als Frauenstrophe zu lesen: Das wäre »eine deutliche Abfuhr an den Sprecher der übrigen Strophen« (S. 320).
In E wird das Lied ein- und ausgeleitet von hoffnungsvollen Strophen: Das Lied beginnt mit der Preisstrophe des Ostertags. Auf die zwei Spottstrophen folgt die Strophe, die das Motiv der Fernminne aufruft, wobei der Sprecher nicht nur von seiner Dame gehört, sondern bereits von ihr gesungen hat. Da Lied schließt mit der Andeutung von Nähe: Die Dame wird dem Ich in die Augen sehen.
Die zweistrophige A-Fassung ist keine Minneklage, sondern verbindet die Liebesversicherung des Ichs und Preiselemente.
Sandra Hofert / Simone Leidinger
B *Reinm 34 = MF 170,1Zitieren | |||
![]() Weingartner Liederhandschrift (Stuttgart, LB, HB XIII 1), pag. 93 | |||
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