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Konrad von Würzburg, ›Venus du̍ feine, du̍ ist entslafen‹ (C 2) Lied zurückLied vorDruckerTEI Icon

Überlieferung

C KonrW 2

Kommentar

Überlieferung: Der Leich ist unikal in C überliefert.

Form: Vgl. Leichschema

Im Gegensatz zum religiösen Leich richtet Konrad den sog. ›Venusleich‹ an einer »sehr straffe[n] formale[n] Disposition« aus (Brunner, Sp. 279), die den Text zwischen Anfangs- (AAAABB) und Schlussteil (A1A1A1A1) durch das Mittelstück CCDD in zwei größere Einheiten (›Hauptteile‹, ›Strophen‹) gliedert, »in denen jeweils eine längere Periode mit geringfügiger Variation wiederholt wird« (Wachinger, S. 764). Damit steht der Leich in der Tradition des Estampie-Typs (vgl. dazu Kuhn, S. 123f., 130f., 141). Seine einzelnen Versikel umfassen (mit Ausnahme des einversigen Typs E) zwei Verse und sind zu Zweier-, häufiger noch zu Vierergruppen kombiniert. Die Setzung der Reimpunkte in den Versikeln des Typs B bzw. B1, B2 und B3 legt es nahe, hier binnengereimte lange Zeilen anzusetzen.

Inhalt: Der Text ist zugleich Minneleich und Zeitklage: Sein zentraler Gegenstand, der weniger in stringenter Argumentation entfaltet als in »thematischen Tanzbewegungen« (Glier, S. 170) je neu umkreist wird, ist der »Verfall der höfischen Minne« (ebd., S. 169) und die Möglichkeit ihrer Restituierung. Dafür werden anhand eines überwiegend mythologischen Personals »zwei einander entgegenstehende Welten miteinander konfrontiert« (Rupp, S. 43) – diejenige des Minnedienstes mit derjenigen des Krieges. In der Gegenüberstellung des gegenwärtigen »Niedergang[es] der Minne [als] Teil eines allgemeinen Niederganges« (Brandt, S. 89) mit einer laudatio temporis acti ist die Minneklage somit ins »Allgemeine und Objektive« gewendet (Glier, S. 169), sie gilt der »Schilderung der Minne-Situation der Gesellschaft« (Kreibich, S. 182), nicht derjenigen eines Einzelnen. Gleich die einleitenden Versikelgruppen (V. 1–12) zeigen dies anhand einer »allegorischen Zustandsbeschreibung der Welt« (Kern, S. 592): Die Fee Venus schläft, die von ihr protegierten Minnedamen sind deshalb ihrer Hilfe beraubt, statt höfischer Freude herrscht auf der Welt kriegerische Gewalt. Der erste Hauptteil des Leichs (V. 13–60) konkretisiert diesen Zustand sodann näher und erläutert die ihm zugrunde liegende Ursache: Her Mars (V. 13) habe den Platz des Liebesgottes Amor eingenommen, die adeligen Herren widmeten sich seither nicht mehr dem Minne-, sondern ausschließlich dem Kriegsdienst; jeglicher tanz (V. 33) der Damen (als Inbegriff höfischer Freude) sei folglich stillgestellt, adelige Festkleidung durch Rüstung und Waffen ersetzt. Verursacht sei dieses Elend von frowe Wendelmuͦt (V. 39), einer Kriegstreiberin, die, in Gestalt der Discordia, auch den Untergang Trojas zu verantworten gehabt habe. Das Mittelstück (CCDD, V. 61–68) leitet zum zweiten Hauptteil des Leichs über – der Liebesgott wird vom Sprecher-Ich zur Gegenwehr aufgefordert: Seine Pfeile mögen die Gewalttäter mit der Minne reinfizieren, damit werde der Krieg enden und das hohgemuͤte zurückkehren (V. 88). Als Unterstützerin dient Amor dabei seine Mutter Venus, die der Weckruf wache ein frowe, est an der zit (V. 90) als Schutzherrin des Minnedienstes reaktiviert. Die folgenden beiden Versikelgruppen stellen in einem »Wunschbild« (Kokott, S. 176) bereits den Erfolg dieser Allianz von Venus und Amor in Aussicht: roͮp unde brant (V. 113) werden gestillt, Gewalt werde durch minne (V. 115) abgelöst werden, höfische Freude erneut Einzug halten. Die vorletzte Versikelgruppe des Hauptteils kann deshalb auch mit einem modifizierten Tanzaufruf beginnen, »nicht als Imperativ, sondern als Konsekutivsatz« formuliert (Kuhn, S. 124) – [s]o singent unde springent / mit froͤiden junge unde alte (V. 105f.). Diese hoffnungsvolle Zukunftsperspektive sichert im Übrigen auch die Relevanz des vorliegenden Textes selbst: Er ist – so das Schlussstück, das außerdem eine Autorsignatur enthält – als tanz (V. 121) konzipiert, der jenen werden wib (V. 117), die gegenwärtig an der Bedeutungslosigkeit höfischer Minne leiden, Trost und Hilfe bringen kann.

Stephanie Seidl

Kommentar veröffentlicht am 01.01.2019; zuletzt geändert am 06.05.2024.
Gehört zur Anthologie: Leich
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