Überlieferung: C tradiert ein fünfstrophiges Lied; in B stehen nur die vier ersten Strophen direkt beisammen, die fünfte folgt weiter hinten im Korpus als Einzelstrophe auf einen Block von Strophen mit Kreuzzugsthematik (vgl. Hassel, S. 136; Schweikle, S. 82f., ediert die Strophe nach B als einstrophiges Lied).
Form: .4a .4a .5b .2b .4c .5c .2d .4d .5e .5e
Die Alternation betonter und unbetonter Silben ist nicht angestrebt, doppelter Auftakt ist nicht unüblich; Auftakt fehlt in II,2, II,3, III,10, IV,3.
Größere Abweichungen zwischen B und C (vgl. I,2, III,2, III,8) scheinen formal bedingt: Sie treten fast ausschließlich dort auf, wo B unreinen, C reinen Reim hat (vgl. Schweikle, S. 137f.).
Die Strophen sind durch Reimresponsionen miteinander verbunden. Die betrifft das letzte Reimpaar der Str. I, II und IV (versan : verstan, han : getan, han : kan) – darüber hinaus IV,1f. (undertan : nan) und V,3f. (han : nieman) – sowie das abschließende Reimpaar in Str. III (not : tot), das mit I,5f. (not : bot) korrespondiert. Weitere Reimresponsionen betreffen III,5f. (muot : tuot), IV,3f. (guot : muot) und V,5f. (guot : getuot). Reimresponsionen zu B III,1f. (lip : zit) mischen – anders als C III,1f. (lip : wip) – Reimklänge der ersten vier Verse von Str. II (strit : zit, wip : lip).
Inhalt: Minneklage. Zentral ist zu Beginn die Minneversunkenheit, auffällig später die Kreuzliedmotivik, weswegen das Lied häufig den Kreuzliedern zugerechnet wird.
Minneversunkenheit steht besonders in Str. I im Mittelpunkt: In Gedanken an die Geliebte verwechselt das Ich Morgen und Abend und nimmt den Gruß anderer Menschen nicht wahr. Ab Str. II wird eine zunächst leichte Spannung zwischen der Liebe zu Gott und jener zur Dame aufgebaut, die sich durch alle folgenden Strophen zieht. Mit dem Ende von Str. IV (nu wil ich dienen dem, der lonen kan) wendet sich das Ich von der Dame ab und Gott zu.
Str. C V, die B als einstrophiges Lied führt, variiert Str. IV. Die Hinwendung zu Gott ist beiden Strophen zu eigen. Dass das Ich in Str. IV nichts außer der unmilte (IV,5) der Geliebten beklagt, ist in Str. C V modifiziert zur Klage darüber, dass das Ich so lange gotes vergas (C V,8).
Während B Hausen 28, V. 9f., dabei abschließend den Dienst an Gott über den Minnedienst stellt, konzentrieren sich die entsprechenden Verse der Parallelüberlieferung C V ganz auf Gott. Die Abwandlung in C hat vermutlich formale Gründe (reiner Reim klagen : tragen); dass dabei das Ich den eigentlichen Dienst an Gott der Klage über die Gottvergessenheit hintanstellt (vgl. C V, 10: dar nach), wirkt ungeschickt.
Intertext: Das Lied gilt als sichere Kontrafaktur zu En chantan m’aven a membrar von Folquet de Marseille, das die Form 8a 8a 10b 4b 8c 10c 4c 8c 10d 10d hat (vgl. Zotz, S. 95).
Simone Leidinger