Überlieferung: Die Sangspruchstrophe ist Teil eines mehrstrophigen Tons, ihre Autorschaft ist ungeklärt. Die »Überlieferunghäufigkeit und -streuung [zeigt], daß es sich um eine sehr ›erfolgreiche‹ Strophe gehandelt haben muß« (Schweikle, S. 55). Die Lesarten schließen zwei der Sangspruch-Korpora (Spervogel in C und Junger Spervogel in A) gegen die Minnesang-Korpora (Dietmar von Aist in C und Reinmar in B) zusammen. Die anonyme h-Überlieferung »könnte ein dritter Überlieferungsstrang sein« (Tervooren, S. 193). Die Strophenreihenfolge stützt diesen Befund: Spervogel und der Junge Spervogel überliefern einen vierstrophigen Ton parallel, h führt sieben Strophen im Ton zusammen. Bei Dietmar und Reinmar betrifft die Parallelüberlieferung neben der Sangspruchstrophe die beiden Minnelieder B Reinm 24f. / C Dietm 19f. und B Reinm 27 / C Dietm 23.
Form: .4a .3b .3c / .4a .3b .3c // .4d 4d 4+.3-e 4+.3-e
Die Form des Tons wird meist als Weiterentwicklung eines älteren Spervogeltons gesehen, der noch keine Kanzonenform darstellt und an Stelle der beiden Stollen einen Paarreim führt (vgl. Rettelbach, S. 149f.). Der Tonautor ist ungewiss, kontrovers diskutiert werden in der Forschung Der Junge Spervogel (A) und Der Junge Stolle, unter dessen Namen in der Kolmarer Liederhandschrift eine Melodie im gleichen Ton überliefert ist. Dabei erscheinen beide Namen als »Verlegenheitsnamen, deren Hintergründe heute nicht mehr aufzuklären sind.« (Brunner, S. 23).
Inhalt: Die Strophe vereint verschiedene Regeln für angemessenes, geduldiges Verhalten anderen Menschen gegenüber. Ähnliche Formulierungen finden sich bei Freidank (vgl. KLD II). Solche Lebensweisheiten sind weitverbreitet (vgl. FDL/Br), eine direkte Bezugnahme der Texte aufeinander ist ungewiss (vgl. KLD II). In der Dietmar-Überlieferung schließt die Strophe mit den ersten drei Versen thematisch an den einstrophigen Sangspruch C Dietm 21 an: Hier wie dort wird der Umgang mit zwei Verhaltensweisen, einer richtigen und einer falschen, gegeneinander abgewogen.
Simone Leidinger
C Dietm 22 = KLD 38 h 17; RSM ¹SpervA/2/3cZitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 65rb | |||