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Johann von Brabant, ›Eins meienmorgens fruͦ was ich ufgestan‹ (C 4 5 6) Lied zurückLied vorDruckerTEI Icon

Überlieferung

C Brab 4 5 6

Kommentar

Überlieferung und Form: Das nur in C überlieferte drei­stro­phige Lied mit Refrain lässt hinsichtlich der Vers­aufteilung und -längen unterschiedliche Interpretationen zu, da einige Reimpunkte in der Handschrift gleichermaßen Versenden wie Zäsuren markieren können. Da zumindest fruͦ (I,1), boͮngartegin (I,2) und schoͤnsten (III,1) als Versenden Waisen wären, liegt es nahe, zu Beginn jeder Strophe zwei Langzeilen mit Zäsur nach der vierten Hebung anzusetzen (vgl. van den Boogaard, S. 1213f.). Die V. 4 und 5 jeder Strophe werden hier ebenfalls als solche gelesen:

4+3a 4+3a 4a 4+//R 3b 4+3b

Die Versanfänge zeigen metrische Freiheiten: II,2 sowie III,2.3.4 verfügen über Auftakt. In I,3 und III,1 gehen die Zäsuren im Gegensatz zu den anderen Versen nicht mit einem Hebungsprall einher.

Str. I weist mit si waren so wolgetan (V. 3) gegenüber II und III einen zusätzlichen Versteil auf (vgl. Boerma, S. 224), mit dem in Str. I alle Verse über die gleiche Länge verfügen. Formal entspricht Str. I daher noch eher als die anderen Strophen der französischen Lyrik (z. B. in Doss-Quinby), da dort bei drei aufeinander reimenden Eingangsversen gleiche Länge die Norm ist.

Van den Boogaard hingegen teilt die Strophe folgendermaßen ein: du̍ eine sang fu̍r, du̍ ander sang na: / ›harba lori fa, harba harba lori fa, / harba lori fa.‹ (Str. I). Damit entspräche das Lied von der Reimstruktur her dem Zajal, einem u. a. in der Trobador- und Trouvèrelyrik gebräuchlichen, möglicherweise bis ins muslimische Spanien zurückverfolgbaren Liedtyp mit dem Reimschema (BB) aaab BB cccb BB ... BB (vgl. Harvey). Jedoch reimt, wie van den Boogaard selbst bemerkt, III,4 (si sprach: ›lat stan, lat stan, lat stan!‹) nicht, wie im Zajal zu erwarten, mit dem Refrain (harba lori fa), sondern auf gan (III,2). Mit krutgelut liegt zwar in Str. II ein weiterer Zäsurreim vor, allerdings nicht in der entsprechenden Position.

Inhalt: An einem Maimorgen bricht der Sänger auf, um in einem boͮngartegin zu spiln (I,2). Dort trifft er auf drei Jungfrauen, von denen zwei singen. Hochgestimmt imitiert er ihren Gesang. Schließlich möchte er die aller schoͤnsten (III,1) küssen, die ihm daraufhin ›lat stan, lat stan, lat stan!‹ (III,4) entgegnet.

Inhaltlich wird das Lied als Pastourelle klassifiziert (vgl. u. a. van den Boogaard, Brinkmann, Tervooren). Allerdings trifft der Sänger nicht auf eine Schäferin, sondern – folgt man der Annahme, dass der Ort der Begegnung (boͮngartegin) mit der sozialen Stellung der Protagonistin korreliert – auf drei höfische junge Damen (vgl. Willaert, S. 395f.). In dem ansonsten von »Minneklage[n] und [...] Frauenpreislied[ern] mit streng höfischer Motivik« (Tervooren, S. 140) dominierten Œuvre Johanns nimmt das Lied jedenfalls eine Sonderstellung ein. Die narrative Entwicklung sowie die Syntax und das Vokabular besonders der ersten Strophe folgen dabei einem Schema, das häufig in französischen Liedern vorzufinden ist, die ein erotisch konnotiertes Treffen beschreiben (vgl. Willaert, Bec). Tervooren verweist auf eine mögliche Pointe: Der Wortlaut der scheinbaren Zurückweisung (lat stan) lässt eine Lesart als sexuelle Anspielung zu und könnte somit Entgegenkommen von Seiten der Dame suggerieren.

Zu diversen auf eine semantische Fixierung abzielenden Deutungsversuchen des klanglich romanisch anmutenden (vgl. Bec, S. 258) Refrains harba lori fa vgl. van den Boogaard. Viel eher handelt es sich hier jedoch um ein Pendant zu den gut dokumentierten französischen »refrains onomatopéiques« (van den Boogaard, S. 260; vgl. auch die umfangreiche Sammlung derartiger Refrains [S. 260–262]). Die wenigen Beispiele für lautkompositorische Refrains in der deutschsprachigen Lyrik des 12. und 13. Jahrhunderts hat Hausner (S. 333f.) zusammengetragen.

Agnes Amminger

Kommentar veröffentlicht am 18.12.2021; zuletzt geändert am 06.05.2024.
Gehört zur Anthologie: Ich-Erzähllied
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