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Für das 13. und 14. Jahrhundert sind drei Mitglieder des thurgauer Grafengeschlechtes derer von Toggenburg mit dem Namen Kraft bekannt: Kraft I., bezeugt seit 1228, starb vor 1254 im Verlauf einer jahrelangen Fehde, durch die er verlorene Rechtsansprüche gegen den Abt von St. Gallen zurückgewinnen wollte. Sein Sohn, Kraft II., urkundet 1260/61 und verstarb jung (spätestens wohl 1266). Dessen Neffe, Kraft III., war Kanonikus in Konstanz, später in Zürich zuerst als Chorherr, dann als Probst tätig und ist im Umrkeis der Brüder Manesse belegt. In der Forschung werden alle drei Namensträger als Dichter verhandelt: Schiendorfer etwa plädiert für Kraft I.; Meyer und Bartsch, S. LIX, sprechen sich für Kraft II. aus; Walther, S. 23, sieht in Kraft III. den Minnesänger.
Überlieferung und Werk
Der Codex Manesse überliefert unter Graue kraft von Toggenburg (rubrizierte Bildüberschrift auf fol. 22v) insgesamt 25 Strophen, zusammengefasst zu sieben Liedern. In der zweiten Lage stehend, sind sie Teil des Grundstock-Segments A, wobei die Strophen C Togg 10, 24 und 25 vom Schreiber AS nachgetragen wurden (vgl. Henkes-Zin, S. 30, 33).
Parallelüberlieferungen der Strophen C Togg 8, 9 und 11 bis 22 führt das Nagler'sche Fragment C3, und zwar weitestgehend gleichlautend und in identischer Reihenfolge wie C. Die erste der vierzehn in C3 überlieferten Strophen ist jedoch unvollständig, was darauf hindeutet, dass das Korpus auch hier ursprünglich umfangreicher war. In Anbetracht der Tatsache, dass in C3 etwa sieben bis acht Strophen auf einer Seite Platz finden, ließe sich mit Henkes-Zin vermuten, »dass die in C vorangehenden sieben Strophen auf der Rückseite eines weiteren Blattes standen, dessen Vorderseite Miniatur und Dichternamen trug« (S. 77). Zwischen der zweiten und dritten Strophe findet sich in C3 eine Lücke, die ursprünglich auch in C vorhanden war, dort aber vom Nachtragsschreiber mit C Togg 10 gefüllt wurde (für die es keine Parallelüberlieferung in C3 gibt). Ob noch ein weiteres Blatt mit einer Parallelüberlieferung zu C Togg 23 verloren gegangen ist, muss offen bleiben.
Die Miniatur zeigt den Dichter auf einer Leiter, die er an eine Burg gelehnt hat. Am oberen Ende der Leiter wartet seine Dame in einem rundbogigen Fenster auf ihn und hält ihm einen goldenen, mit weißen und roten Blüten geschmückten Kranz entgegen. Der Blick des Dichters ist nach oben zur Dame gerichtet, die Hände zeigen, dass er bereit ist, den Kranz zu empfangen. Walther, S. 23, vermutet in dem Wappen, das einen schwarzen Hund mit rotem Halsband auf goldenem Grund zeigt, ein redendes Wappen (›Dogge‹). Schon von der Hagen (vgl. HMS, Bd. 4, S. 52) vermutet einen Zusammenhang von Wappen und Namen. Allerdings ist der Begriff dogge (anfangs in der hd. Form docke) als Bezeichnung für einen großen, starken Hund erst seit dem 16. Jh. im deutschen Sprachraum verbreitet (vgl. Pfeifer). Den abgebildeten goldenen Helm zieren zwei einander zugewandte, gekrümmte Fische, deren Mäuler in den Helm beißen. Sowohl Wappen als auch Helmzier sind historisch für die Grafen von Toggenburg belegt, etwa in der Zürcher Wappenrolle (fol. 2r, oben).
Die insgesamt sieben Lieder in C sind alle Minneklagen, die mit einem sommerlichen oder winterlichen Natureingang einsetzen, wobei die traditionellen Klageelemente meist vor der intensiven Sprachbildlichkeit oder der aufs Positive gerichteten Hoffnung in den Hintergrund rücken. Besonders auffällige Naturbildlichkeit prägt das gesamte erste Lied (C Togg 1–5), in dem v. a. der Rosenmund der Geliebten im Zentrum steht. Die Lieder VI (C Togg 22 23 et al.) und VII (C Togg 24 25) zeichnen sich durch den wortspielerischen Umgang mit dem Begriff guot aus.
Sandra Hofert