Autor
Der Dichter ist vermutlich identisch mit dem von 1313 bis zu seinem Tod 1330 mehrfach in Urkunden der Äbtissin Elisabeth von Zürich nachweisbaren Sarnener Kirchherrn und Zürcher Chorherrn aus dem Zürcher Adelsgeschlecht derer von Rost. Als seinen Todestag verzeichnet das Anniversar des Zürcher Fraumünster den 21.12.1330. Eine Marginalie im Codex Manesse (fol. 285v) schreibt ihm den Vornamen ›Heinrich‹ zu und ergänzt die Bezeichnung ›Schreiber‹: Vielleicht war der Dichter, »ein Vertrauensmann der Äbtissin, zugleich ihr ›Sekretär‹« (Schiendorfer, Sp. 249)? Schiendorfer, S. 430, vermutet ferner, dass die Lieder vor oder während seiner Klerikerausbildung entstanden sind. So sei der Zusatz ›Schreiber‹ ernst zu nehmen und »der Status eines geistlichen Minnesängers erheblich zu relativieren«. Zum Dichter allg. vgl. ders. sowie Jahn.
Überlieferung und Werk
Unter Rôſt· kilchherre ze Sarne (Textüberschrift auf fol. 285v, daneben von anderer Hand die Marginalie: H͛ Heinr̄ der Rôſt / ſchrib͛) bzw. Roſt kilcherre ze Sarne (Bildüberschrift auf fol. 285r) überliefert der Codex Manesse unikal neun Lieder zu je drei Strophen, womit das Korpus insgesamt 27 Strophen umfasst. Geschrieben vom Schreiber FS bilden die Strophen zusammen mit dem Korpus des Heinrich Teschler die Nachtragslage XXVI (vgl. Henkes-Zin, S. 35).
Formal handelt es sich durchgehend um Stollenstrophen, wobei C Rost 10–12 sowie C Rost 22–24 einen Refrain aufweisen. Inhaltlich rufen die Strophen konventionelle Minnetopik auf: Fünf der neun Lieder setzen mit einem Natureingang ein (Lieder 1, 3, 4, 7, 9); wiederholt wird das Bild des roten Mundes aufgerufen, zwei Mal in Form einer direkten Anrede an den Mund (C Rost 4, V. 1, sowie C Rost 27, V. 1); C Rost 2 spielt mit dem Kaisertopos; mehrmals wird die personifizierte Minne um Vermittlungshilfe gebeten (Lieder 4, 5, 7, 8); C Rost 17 ruft die Minnefeinde als weiteres Hindernis zum Minneglück auf. C Rost 22–24 spielt mit Pfandmetaphorik.
Die Miniatur, angefertigt vom ersten Nachtragsmaler N I, zeigt einen Kleriker, der zwar höfisch vor einer Dame kniet, mit seiner rechten Hand aber unter ihr blaues Kleid greift und ihre rechte, nackte Wade berührt. Für dieses forsche Vorgehen scheint sie ihn bestrafen zu wollen: Sie hält in der linken Hand ein Haarbüschel des Knienden, in der rechten ein hölzernes Webeschwert, das sie drohend zum Schlag erhoben hat. Stange identifiziert den Gegenstand in ihrer Hand dagegen als Messer: »die Dame ist im Begriff dem zu ihren Füßen knieenden Manne einen Schopf abzuschneiden« (S. 326); Wallner, S. 507, möchte sogar ein Messer mit ›Rost‹ erkennen. Oder: »Ist die Dame damit beschäftigt, ein Band zu weben, dessen Fäden [!] über dem Kopft des Rost durchgeschnitten sind«? (Walther, S. 192). Neben ihr sitzt eine kleinere Frauenfigur, vielleicht ihre Dienerin oder Gefährtin. Diese hält ein Kleinod in der Hand und ist möglicherweise auch mit Handarbeit beschäftigt (so z. B. Stettiner, S. 9). Das Wappen (ohne Helmzier), mittig im oberen Bildbereich, zeigt einen schwarzen Eisenrost in einem silbernen Feld, umgeben von einer roten Umrandung mit elf goldenen Blüten – »in Anspielung auf den Namen des Minnesängers, also ein ›redendes Wappen‹« (Stettiner, S. 3).
Frühmorgen-Voss, S. 201, vermutet eine Parallele der Ikonographie zur Samson-Dalila-Thematik und hebt ferner verschiedene Ambivalenzen des Bildes hervor: »der Rost im Wappen, der den Namen abbildet und formal obendrein mit dem ›Weberost‹ [...] korrespondiert, das Ineinander von Haar und Garn, der Widerspruch zwischen Innenraumszene und Baumhintergrund« (ebd.). Zur Deutung der Darstellung sowie zu ihrer möglichen Verwandtschaft mit den Miniaturen zweier Fragmente, auf deren Rückseite Verse aus dem ›Roman de la Rose‹ überliefert sind, vgl. Stettiner. Schiendorfer betont zudem den engen Zusammenhang der »Bildergruppe Warte/Rost/Teschler« (S. 414) und vermutet, dass der Nachtragsmaler N I die drei Zürcher Zeitgenossen persönlich kannte: »Der ungeniert neckische Umgang mit diesen Vetretern der lokalen Elite wäre dem Maler N I nie und nimmer möglich gewesen, wenn ihm die Betroffenen dazu nicht selber grünes Licht signalisiert und gute Miene zum bösen Spiel gemacht hätten« (Schiendorfer, Kap. Teschler).
Sandra Hofert