Autor
Der in den Handschriften A (32v) und C als Markgraf von Hohenburg (in A [36r] zudem fälschlicherweise als Markgraf von Rotenburg) bezeichnete Minnesänger ist von der Forschung alternativ mit zwei historisch gut belegten Markgrafen von Vohburg(-Hohenburg) identifiziert worden (Regesten bei Doeberl, zuletzt aufgearbeitet von Meyer, S. 336-342):
1) Markgraf Diepold V. von Vohburg (geb. deutlich vor 1190, gest. am 26. Dezember 1225) heiratet bald nach 1210 Mathilde von Wasserburg, die die Herrschaft Hohenburg (mit Stammsitz südlich von Amberg) mit in die Ehe bringt. Er begegnet 1219 als Kreuzfahrer bei der Belagerung Damiettes, ist von 1220 bis 1223 am staufischen Kaiserhof in Italien und von 1223 bis 1225 am Hof König Heinrichs (VII.) nachweisbar, wo er seine Minnelieder vorgetragen haben könnte.
2) Berthold III. von Vohburg-Hohenburg (geb. vor 1215, gest. 1256/57), Diepolds ältester Sohn aus besagter Ehe, begegnet 1237 als Edelknappe Friedrichs II., an dessen Hof in Italien er ab spätestens 1246 politisch Karriere macht und zu einem einflussreichen Mann aufsteigt, der auch noch nach dem Tod des Kaisers hohe Positionen bekleidet. 1242 ist er in Deutschland u. a. bei König Konrad IV. nachweisbar, an dessen Hof er seine Minnelieder vorgetragen haben könnte.
Für den Vater, dessen Geburtsjahr durch die versehentliche Vermengung mit einem älteren Diepold bzw. einem älteren Markgrafen von Vohburg erheblich vorverlegt wird, plädieren Bartsch, S. XXXIVf., Busse, S. 7-13, und Kraus, S. 223f. (vgl. Neumann, S. 139-143). Für den Sohn votieren u. a. von der Hagen, Bd. IV, S. 69, und – das Material ausgiebig sichtend, aber mit teils fragwürdigen historischen Anbindungen der Lieder – Neumann. Nicht auszuschließen ist natürlich, dass das Hohenburg-Korpus Lieder von Vater und Sohn vereint (Mertens, Sp. 93) – ganz abgesehen davon, dass prinzipiell auch andere Familienmitglieder als Verfasser in Frage kämen (Händl, S. 546). Wollte man indessen eine Entscheidung zwischen den beiden Favoriten treffen, würde sie wohl eher auf den Sohn fallen (vgl. das Fazit bei Meyer, bes. S. 341), zumal dieser sich in einer (wenn auch an Boethius angelehnten) lateinischen ›Lamentatio‹ selbst als Verfasser von Liedern (camenae) präsentiert (erstmals angeführt von Giesebrecht, S. 586f., Anm. 71). Einer anderen Familie als derjenigen der Vohburg-Hohenburger ist indessen das Wappen zugehörig, das dem Sänger auf der Miniatur von C, fol. 29r, beigegeben ist (Bumke, S. 90, Anm. 165; zur Miniatur auch Walther, S. 30).
Überlieferung
Was Reihung und Bestand der Strophen, vor allem aber auch namentliche Zuschreibungen angeht, erweist sich die Überlieferung als äußerst heterogen. Unter dem Namen des Markgrafen von Hohenburg sind die prinzipiell in Frage stehenden Lieder ausschließlich in A und C überliefert: drei ausschließlich in A, vier ausschließlich in C, zwei sowohl in A als auch in C. Sämtliche dieser neun Lieder finden sich – in teils erheblich abweichender Gestalt – auch unter anderen Sängern, sei es in A (einmal Niune), in B (viermal Friedrich von Hausen, einmal Otto von Botenlauben) oder in C (zweimal Alram von Gresten, einmal Rudolf von Rotenburg, einmal Hiltbolt von Schwangau, einmal Otto von Botenlauben). Eines der Lieder ist außerdem ein weiteres Mal in Handschrift O2 namenlos überliefert. Für die betreffenden Mehrfachzuschreibungen können verschiedene Gründe verantwortlich gemacht werden:
1) Vier der in C unter dem Namen des Hohenburgers überlieferten Lieder – C Hoh 1-3 et al., C Hoh 4 et al., C Hoh 5-7 et al. und C Hoh 8-9 et al. – erscheinen in B zwar in derselben Reihenfolge (ein Hinweis auf die gemeinsame Vorstufe *BC), sind dort aber Friedrich von Hausen zugeschrieben. Diese Zuschreibung, die in der Forschung von jeher abgelehnt worden ist, scheint auf einen mechanischen Fehler (Einschub eines korpusfremden Doppelblatts in das Hausen-Korpus in einer Vorstufe von B) zurückzugehen (Schiendorfer, S. 69). Man wird die betreffenden Lieder also prinzipiell als Eigentum des Hohenburgers betrachten dürfen.
2) Sind zwei extrem verschiedene Versionen ›ein und desselben‹ Lieds unter zwei verschiedenen Namen überliefert, so wird man prinzipiell geneigt sein, die Doppelzuschreibung als Zeugnis einer interaktiven Minnesangpraxis ernst zu nehmen, wobei der Hohenburger als der Gebende (C Hoh 1-3 et al.) oder als der Nehmende (A Hoh/32v 1-2 et al., A Hoh/36r 1-3 et al.) in Erscheinung treten kann (Näheres hier wie im Folgenden unter den betreffenden Liedkommentaren).
3) Zu einer grundsätzlicheren Entscheidung drängen diejenigen Fälle, in denen die Doppelzuschreibung ein in mehr oder weniger identischer Gestalt überliefertes Lied betrifft. In einem dieser Fälle hat die Forschung mit guten Gründen für die Zuschreibung an den Hohenburger plädiert (C Hoh 10-12 et al.), in zwei weiteren Fällen dagegen (A Hoh/32v 6-9 et al., A Hoh/32v 10-11 et al.).
Werk
Formale Elemente, die gern mit der angeblichen ›Hausen-Schule‹ in Verbindung gebracht werden, wie die Verwendung des daktylischen Rhythmus in den Liedern A Hoh/32v 3-5 et al. und A Hoh/36r 1-3 et al. (im letzteren Fall wohl aber auf Hiltbolt von Schwangau zurückgehend) oder die Durchreimung in den Liedern C Hoh 4 et al. und A Hoh/32v 1-2 et al. (im letzteren Fall wohl aber auf Otto von Botenlauben zurückgehend) zwingen keineswegs zu einer Frühdatierung (vgl. Neumann, S. 143-145).
Hervorzuheben ist vor allem das Wächtertagelied C Hoh 10-12 et al. mit seinen antithetischen Binnenrefrains. Die übrigen Lieder kreisen um Frauenpreis und Hohe Minne. Anklänge an die Gattung des Minnekreuzlieds lassen sich in den Liedern C Hoh 5-7 et al. und A Hoh/36r 1-3 et al. (hier aber in einer wohl von Hiltbolt von Schwangau stammenden Strophe) erkennen. Ungewöhnlich ist außerdem das Motiv der Beichte beim Papst im ›Scheidelied‹ C Hoh 5-7 et al. Als parodistische Übernahmen bzw. Kontrafakturen von Liedern Ottos von Botenlauben, Hiltbolts von Schwangau und Walthers von der Vogelweide dürften die Lieder A Hoh/32v 1-2 et al., A Hoh/36r 1-3 et al. und C Hoh 1-3 et al. zu verstehen sein.
Justin Vollmann