Autor und Überlieferung
»Meister Walther von Prisach« (so die Vorschrift auf der zweiten Seite, fol. 295v, die von jüngerer Hand, evtl. von Melchor Goldast, auf fol. 195r nachgetragen ist) begegnet als Dichter nur in der Manessischen Liederhandschrift. Sein Korpus ist auf Lage XXVII vom Schreiber GS nachgetragen und weist weder Dichterbild noch Eingangsinitiale oder mehrzeilige Lombarden zu Strophenbeginn auf (vgl. Henkes-Zin, S. 2, 18 und 35). Vom Schreiber GS stammen außerdem die Korpora ›Der Alte Meißner‹ (fol. 342ra) und der ›Gast‹ (fol. 358ra), die Namen der drei Dichter »sind im Inhaltsverzeichnis erst im 17. Jahrhundert nachgetragen« (Werner, S. 19).
Meist wird der Dichter mit einem Schulmeister Walther von Breisach in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts identifiziert. Ab 1256 urkundet ein magister Waltherus scolasticus in Brisaco (vgl. Meves, S. 838 und 842); der Namenszusatz scolasticus bezeichnet den Leiter einer Dom- oder Stiftsschule, die in Freiburg oder Breisach zu jener Zeit jedoch nicht bezeugt ist (vgl. ebd., S. 840). Eventuell kann man in jenem Walther von Breisach einen außerhalb der Kirche tätigen Kleriker vermuten, der eine eigene Schule geleitet hat. Als letztes Lebenszeugnis wird eine Urkunde vom 30. Mai 1300 gewertet (vgl. ebd., S. 839 und 848f.). Zwar sind urkundlich weder »die Einheit der Person noch die Identität mit dem Dichter [...] nachweisbar, doch sprechen für sie die Geschlossenheit der in den Urkunden greifbaren Führungsgruppen, die Äbte und Grafen, regionalen Adel, Klerus und Patriziat aus beiden Städten [Breisach und Freiburg, S. L.] einschließen« (Lutz, Sp. 639).
Werk
Die 22 in der Manessischen Liederhandschrift geführten Strophen fügen sich zu drei Tönen: Im ersten Ton folgen auf zwei Gotteslobstrophen (C Breis 1f.) fünf Strophen über triuwe und Aufrichtigkeit (C Breis 3–7); der zweite Ton ist ein fünfstrophiges Tagelied (C Breis 8–12); im dritten Ton sind zehn Strophen überliefert (C Breis 13–22), deren inhaltlicher Zusammenhang nicht eindeutig ist: Enger zusammen gehören vier Strophen Marien- und Christuspreis (C Breis 13–16), an die sechs moralisierende Strophen anschließen; die Überlieferung der letzten Strophe, C Breis 22, bricht nach sieben Versen ab.
Simone Leidinger