Autor
Der in den Handschriften als Her Bernger von Horneim (B, pag. 76) bzw. Her Bernge von Horhein (C, fol. 178r) bezeichnete Minnesänger wird allgemein mit einem Berengerius de Orehem bzw. Berlengerius de Oreim identifiziert, der in zwei oberitalischen Urkunden aus dem Jahr 1196 als Zeuge erscheint (Meves, S. 131f.). Da als Spitzenzeuge beider Urkunden Graf Gottfried von Vaihingen fungiert, liegt es nahe, unter den verschiedenen als Heimat des Minnesängers zur Diskussion gestellten Orten (knapper Überblick bei Schweikle, Sp. 750) dem sechs Kilometer von Vaihingen a. d. Enz (Baden-Württemberg) gelegenen Horrheim den Vorzug zu geben. Auch der dialektale Befund (Spuren des Rheinfränkischen), den die ältere Forschung für das bei Frankfurt a. M. gelegene Harheim ins Feld geführt hat, würde zur Grafschaft Vaihingen durchaus passen (Meves, S. 125f.).
Bernger könnte dann ein Dienstmann Gottfrieds von Vaihingen gewesen und mit diesem nach Italien gezogen sein. Interessant in diesem Zusammenhang ist das Lied B Berng 11-13 et al., in dem sich das Ich zur Teilnahme an einem durch den Tod eines Königs ausgelösten Heerzug nach Apulien gezwungen sieht. Historisch könnte dies auf den Tod König Wilhelms II. von Sizilien am 18. November 1189 oder auf denjenigen seines Nachfolgers Tankred von Lecce am 20. Februar 1194 gemünzt sein, die beide staufische Heerzüge nach Süditalien in den Jahren 1190 bzw. 1194 zur Folge hatten. Wie Uwe Meves vermutet, könnten sich Gottfried von Vaihingen und Bernger von Horheim auch noch im Herbst 1195 im Gefolge Herzog Philipps, Bruders des Stauferkönigs Heinrichs VI., nach Italien begeben haben (Meves, S. 127f.), womit man sich in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den erwähnten Urkunden befände.
Überlieferung
Vier der insgesamt sechs Lieder Berngers sind in identischer Reihenfolge und in nahezu identischer Gestalt in B und C überliefert. Die Echtheit der beiden übrigen, das Bernger-Korpus in C eröffnenden Lieder ist aufgrund höherer Reimdichte in Zweifel gezogen worden (so von Sayce, S. 124, vgl. auch Meves, S. 125), was kaum plausibel erscheint.
Werk
Formal betrachtet bestehen sämtliche der sechs Lieder aus Kanzonenstrophen, die in der Hälfte der Fälle durchgereimt sind. Von der Berührung mit romanischen Formmustern zeugen außerdem die Bevorzugung durchgängiger Vierheber sowie die häufige Verwendung eines daktylischen Rhythmus (Touber, S. 74). Mindestens eines der Lieder (B Berng 1-3 et al.) ist durch zusätzliche inhaltliche Bezugnahmen eindeutig als Kontrafaktur eines Lieds von Chrétien de Troyes ausgewiesen.
Was den Inhalt betrifft, besteht Berngers Œuvre durchweg aus Liedern der Hohen Minne, die aber jeweils ein unverwechselbares Gepräge aufweisen. An erster Stelle sind hier das ›Lügenlied‹ (B Berng 4-7 et al.) und das ›Tristanlied‹ (B Berng 1-3 et al.) zu nennen. Aber auch die übrigen Lieder zeichnen sich jeweils durch markante Motive und Konstellationen aus, die hier nur stichwortartig benannt werden können: das Lied als Bote (B Berg 8-10 et al.), Konkurrenz zwischen Frauen- und Herrendienst (B Berng 11-13 et al.), Antizipation des eigenen Nachlebens (C Berng 1-3), Kombination von formaler Virtuosität und hoher Selbstreflexivität (C Berng 4). Demgegenüber sind die Miniaturen in B und C (zu Letzterer vgl. auch Walther, S. 112) – sie zeigen jeweils den Sänger vor der Dame – eher allgemein gehalten und scheinen durch kein bestimmtes Lied angeregt zu sein.
Justin Vollmann