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Walther von der Vogelweide, ›Mir sagt ein enlender bilgerin‹
E A C U c
E Wa 33
IE Wa 33 = KLD 49 XII 1; Wa/Bei 101 I
A Wa 126
IA Wa 126 = KLD 49 XII 2; Wa/Bei 101 II
C Rotenb 24 (18)
IC Rotenb 24 (18) = KLD 49 XII 1; Wa/Bei 101 I
U Namenl/1vb 19
IU Namenl/1vb 19 = KLD 49 XII 1; SNE II: c 114; Wa/Bei 101 I
c *Neidh 928
Ic *Neidh 928 = SNE II: c 114; KLD 49 XII 2; Wa/Bei 101 II
E Wa 34
IIE Wa 34 = KLD 49 XII 2; Wa/Bei 101 II
A Wa 127
IIA Wa 127 = KLD 49 XII 4; Wa/Bei 101 III
C Rotenb 25 (19)
IIC Rotenb 25 (19) = KLD 49 XII 2; Wa/Bei 101 II
U Namenl/1vb 20
IIU Namenl/1vb 20 = KLD 49 XII 2; SNE II: c 114; Wa/Bei 101 II
c *Neidh 929
IIc *Neidh 929 = SNE II: c 114; KLD 49 XII 4; Wa/Bei 101 III
E Wa 35
IIIE Wa 35 = KLD 49 XII 4; Wa/Bei 101 III
A Wa 128
IIIA Wa 128 = KLD 49 XII 5; Wa/Bei 101 IV
C Rotenb 26 (20)
IIIC Rotenb 26 (20) = KLD 49 XII 3; Wa/Bei 101 V
U Namenl/1vb 21
IIIU Namenl/1vb 21 = KLD 49 XII 4; SNE II: c 114; Wa/Bei 101 III
c *Neidh 930
IIIc *Neidh 930 = SNE II: c 114; KLD 49 XII 1; Wa/Bei 101 I
E Wa 36
IVE Wa 36 = KLD 49 XII 5; Wa/Bei 101 IV
A Wa 129
IVA Wa 129 = KLD 49 XII 1; Wa/Bei 101 I
C Rotenb 27 (21)
IVC Rotenb 27 (21) = KLD 49 XII 4; Wa/Bei 101 III
U Namenl/1vb 22
IVU Namenl/1vb 22 = KLD 49 XII 5; SNE II: c 114; Wa/Bei 101 IV
E Wa 37
VE Wa 37 = KLD 49 XII 3; Wa/Bei 101 V
C Rotenb 28 (22)
VC Rotenb 28 (22) = KLD 49 XII 5; Wa/Bei 101 IV
U Namenl/1vb 23
VU Namenl/1vb 23 = KLD 49 XII 3; SNE II: c 114; Wa/Bei 101 V

Kommentar

Überlieferung: fünf Fassungen mit drei bzw. vier Autorzuschreibungen: Neidhart (c), Rudolf von Rotenburg (C), Walther von der Vogelweide (AE), namenlos in Walther-Umgebung (U). Identisch ist nur die Abfolge der fünf Strophen in EU. C hat denselben Strophenbestand, reiht aber die in EU fünfte Strophe an die dritte Position. Dem vier­stro­phigen Lied in A fehlt die fünfte Strophe von EU (die dritte in C), außerdem rückt die in CEU erste Strophe an den Liedschluss. Dasselbe gilt für das drei­stro­phige Lied in c, wo überdies die dritte Strophe von A (die vierte in EU, fünfte in C) ausgefallen ist. Die vielfachen Rochaden sind verwirrend, die Auswirkungen auf die gedankliche Komposition allerdings gering (siehe unten).

Auch im Einzelnen ergibt sich ein flirrendes Bild der Lesartenverhältnisse. Wie schon bei der Strophenreihenfolge, so bilden auch hinsichtlich der kleinteiligen Varianz EU eine Gruppe, die C gegenübersteht. A geht häufig mit C parallel, stellt sich gelegentlich aber auch mit U gegen CE. Insgesamt ist E eigensinniger als die übrigen Pergamenthandschriften. Am ehesten zu AC gesellt sich c, die aber durch zahlreiche tiefschürfende redaktionelle Eingriffe über weite Strecken eigene Wege beschreitet.

Form: Reienstrophe oder Kanzone mit einzeiligen Stollen?

5a 5a 3-b 3c 3-b 5c

Die ungewöhnliche, asymmetrische Strophenform war möglicherweise ein Mitgrund für die erhebliche formale Varianz sowohl zwischen den Überlieferungszeugen als auch im internen Strophenvergleich. Ob C das ›Bessere‹ bewahrt oder dieses redaktionell hergestellt hat – oder eine Mischung aus beidem –, ist nicht zu entscheiden. Besonders EU zeichnen sich durch viele formale Irregularitäten aus wie stolpernde Metren, Tonbeugungen, unterfüllte Verse, Reimprobleme. In c ist die Strophenform an mehreren Stellen schlicht defekt.

Inhalt: Lied der Fernliebe, wobei das Augenmerk auf dem Transport von Botschaften liegt; ein Botenlied im engeren Sinne ist es nicht, denn der Bote kommt nicht zu Wort. Folgt man der Strophenreihenfolge in C, ergibt sich folgender inhaltlicher Verlauf:

Ein Pilgerbericht, der das Ich – offenbar in der Ferne weilend – zufällig erreicht, zeigt diesem erfreulicherweise, dass es der Dame gut geht (I). Das Ich denkt tagein, tagaus an sie und wünscht ihr das Beste (II). Beim Abschied ist das Ich beinahe ohnmächtig geworden; ihre Schönheit glich dem Abendrot (III). Ihre Bitte an ihn ist, dass er ihr seine liet schicke, doch weiß das Ich keinen Boten (IV). In Anbetracht des Risikos eines dysfunktionalen Botendienstes will das Ich tausend Boten auf den Weg bringen, die ihr den schönen Gesang vortragen mögen (V).

Es ist ein Leichtes, der Strophenfolge eine innere Logik abzugewinnen: Pilgerbericht (C I) und Botenproblematik (C IVf.) treffen sich im Motiv der Trennung, zu dem sich auch das Abschiedsszenario in der Vergangenheit (C III) fügt. Das Treuebekenntnis (C II) motiviert das Handeln des Ichs. Weniger fest ist die zeitliche Verlaufskurve. Das Treuebekenntnis (C II) gilt generell; der Abschied (C III) liegt mutmaßlich vor allem anderen, doch kann die Strophe, als Rückblick, genauso wie das Treuebekenntnis beliebig unter die übrigen Strophen einsortiert werden. Pilgerbericht und Botenthematik wiederum sind nicht explizit narrativ verbunden, sodass sich aus dem Wortlaut selbst keine zwingende zeitliche Abfolge ergibt.

Die Varianz der Strophenreihung in der Überlieferung scheint Produkt dieser Variabilität zu sein. Stets gekoppelt sind C IV und V (wenn man davon absieht, dass C V in c ganz fehlt). Die Positionierung von C II (Treue) und C III (Abschied) ist frei, ohne dass dies am Gesamteindruck viel ändern würde. C I (Pilger) kann wahlweise vor (CEU) oder nach (A) C IVf. (Boten) stehen. Obwohl das Lied mit narrativen Momenten operiert, kommt es augenscheinlich nicht darauf an, eine Geschichte zu erzählen, allenfalls eine solche als Vorstellungsinhalt anzuregen. Am radikalsten ist auch in dieser Hinsicht c, die aufgrund der Zusammenkürzung auf nur drei Strophen (Treue, Botenproblem, Pilgerbericht) ganz auf assoziative Kohärenz vertraut.

Florian Kragl

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